23. Mai 2024, 20:10 Uhr

Baseball in Friedberg

Wenn der Nachwuchs auf dem Feld der Träume trainiert

»Gebt Vollgas! Verstanden?« Benjamin Warganz schaut in die Runde. »Ja, Coach!«, schallt es ihm entgegen. Baseball auf der Friedberger Seewiese, die Brave-Kids stürmen das Feld der Träume.
23. Mai 2024, 20:10 Uhr
JW

Ein Baseballfeld ist in den USA ein Symbol der Hoffnung: ein »Field of Dream«, das Feld der Träume. Hier dürfen alle von perfekten Schlägen und Homeruns träumen. Oder es erschallt der Ruf »Strike« und der Ball ist aus. Klingt für Laien rätselhaft, dabei ist Baseball ganz einfach: Man schlägt den Ball mit einer Keule weit weg, läuft los und holt Punkte, wenn man vier markierte Flächen (»Bases«) passiert. Es sei denn, die Verteidiger sind schneller und der Ball landet eher an der Base.

Selbst wer die Regeln nicht kennt, bleibt oft stehen, wenn Kinder- oder Erwachsenenmannschaften der Friedberg Braves auf der Seewiese trainieren. Wo im Winter Schlittschuh gelaufen wird, wetteifern im Sommer Pitcher, Catcher, Schlagmann und Läufer um einen kleinen, harten Ball. Und dies recht erfolgreich. In den 1990ern spielten die Braves in der 1. Bundesliga Süd, holten sechs Mal den Hessenpokal. Auch der Nachwuchs holte Titel auf Titel.

Daran gilt es anzuküpfen, aber zuerst müssen die neuen weißen Turnschuhe ausprobiert werden. »Nils! Deine Schuhe!«, ruft Papa Stefan entsetzt, als der Sohn auf der mit braunem Sand belegten Base steht und kräftig aufstampft. Es staubt, jetzt hat er braune Turnschuhe, und Papa rollt mit den Augen.

Gut zwei Dutzend Kinder versammeln sich am Freitagnachmittag um Trainer Benjamin Warganz, der vor dem Spiel letzte Anweisungen gibt. »Keine Diskussionen! Kein Gejammer auf dem Feld der Träume! Verstanden?« »Ja, Coach!«, schallt es ihm entgegen, und schon spurten alle aufs Feld und besetzen die vom Trainer angewiesenen Positionen.

Warganz hat viele Sportarten trainiert, von Eishockey bis Football. Ein Sportverrückter. Sein Sohn wollte unbedingt Baseball spielen, so kam der Frankfurter nach Friedberg, wo er das Jugendtraining übernahm. »Baseball erfordert Geduld«, sagt der 43-Jährige. »Das ist kein fließender Sport, Ruhe und Konzentration sind erforderlich. Aber dann wird es schnell explosiv.« Dann, wenn der Schlagmann trifft und losläuft, die Verteidiger dem Ball hinterherjagen und die Läufer derweil eine Base nach der anderen passieren. »Der Rest ist pure Freude.«

Applaus für Finns Homerun

Freude, die sich auch auf die Eltern überträgt. »Ohne die Eltern ginge das gar nicht«, sagt Warganz. Einige Väter stehen als Co-Trainer auf dem Platz, andere schauen heute nur zu, wie Lena Springer, die bei den Braves die »Teeballer« trainiert. Das sind die Jüngsten, bei denen der Ball beim Abschlag auf einem T-förmigen Ständer ruht. »Die Fünf- bis Siebenjährigen muss man mit viel Geduld und Liebe trainieren«, sagt sie. Im vergangenen Jahr haben die Teeballer der Braves nur ein einziges Spiel verloren.

Währenddessen bildet sich auf dem Spielfeld eine Traube. Ein Junge hat einen Ball an den Kopf bekommen. Ein Vater holt einen Eisbeutel, kurz drauf geht es weiter. Baseball-Spieler sind hart im Nehmen.

Mit den weißen Hosen, den blauen Trikots, den roten Basecaps und den viel zu großen Fänger-Handschuhen erinnern die Brave-Kids an die drolligen »Peanuts« des Comiczeichners Charles M. Schulz. Kleiner Unterschied: Das Abschlagfeld, auf dem Charlie Brown steht, ist mit Butterblumen bewachsen, weil der Pitcher nach Ansicht der weiblichen Mitspielerinnen inmitten der Blumen »so süß« aussieht. Das staubt dann auch nicht.

Einen mindestens so präzisen Schlag wie Snoopy hat der 13-jährige Finn. Er tritt ans Schlagmal, fixiert den Pitcher, holt mit dem Schläger aus und feuert den Ball quer übers Feld bis kurz vor den Seebach. Er spurtet er los und legt unter dem Jubel seiner Mitspieler einen astreinen Homerun hin. Traum erfüllt. »Wenn das mein Vater gesehen hätte«, sagt er außer Atem und klatscht die Teamkollegen ab. Finns Vater spielt auch bei den Braves, der Sohn eifert ihm nach.

»Beim Fußball steht die Athletik im Vordergund«, sagt Baseball-Papa Andreas. »Da werden kleinere, schmächtigere Kinder schnell aussortiert. Beim Baseball ist das nicht so, da kann sich jeder beweisen. Und wie man sieht, haben die Kinder großen Spaß.«

Am Ende weiß ich nicht, welche der beiden Mannschaften gewonnen hat, aber vermutlich bin ich da nicht der einzige. Das Ergebnis ist nicht so wichtig. Dem Beobachter wird aber klar, dass diese Sportart, obwohl es viele ruhige Momente gibt, keine einzige Sekunde langweilig ist. Jeder gelungene Schlag wird bejubelt, jeder Lauf von Base zu Base genau verfolgt. Ein großer Spaß für die Kinder, und für die Erwachsenen hat der Sport auch sein Gutes, wie der in den USA berühmte Major League-Baseball-Catcher Lawrence Peter »Yogi« Berra augenzwinkernd wusste: »Little League-Baseball ist eine sehr gute Sache, es hält die Eltern von der Straße.«

Infos über den Verein auf der Internetseite www.friedberg-braves.com. Nachwuchstraining im Sommer dienstags und freitags von 17 bis 18 Uhr.



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