25. Februar 2024, 18:09 Uhr

Die Gewalt hinter sich lassen

Angespannte Lage im Frauenhaus Wetterau

Wer in einem Frauenhaus untergebracht wird, hat Schlimmes erlebt, bekommt einen gewissen Schutz. Doch die Mitarbeiterinnen des Wetterauer Frauenhauses haben einige Hürden zu überwinden.
25. Februar 2024, 18:09 Uhr
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Von Christoph Agel
Simone Schreiter-Liedtke (l.) und Ferhan Isfen bilden die Doppelspitze des Frauenhauses und der Beratungs- und Interventionsstelle. FOTO: NICI MERZ

Als wären die Schicksale der Frauen und Kinder nicht schon schlimm genug, kommen für das Wetterauer Frauenhaus noch Fachkräftemangel, Wohnungsnot und Bürokratie-Hürden hinzu. Simone Schreiter-Liedtke, kaufmännische Leiterin des Vereins »Frauen helfen Frauen Wetterau« und die pädagogische Leiterin Ferhan Isfen reden darüber. Der Verein, dessen Arbeit auch durch Spenden finanziert wird, betreibt das Frauenhaus, dessen Adresse geheim bleiben muss. Zudem die Beratungs- und Interventionsstelle in der Saarstraße 30 in Friedberg.

Der Bedarf nach Plätzen im Frauenhaus übersteige deutlich das Angebot, sagt Schreiter-Liedtke. In den vergangenen beiden Jahren sei die Zahl der Plätze von 24 auf 33 erhöht worden, doch auch diese reichten nicht aus. Während der Pandemie hatte sich die Lage drastisch verschlechtert, Menschen mussten zu Hause bleiben, die Fluchtmöglichkeiten für Gewaltopfer tendierten gegen Null. Doch nach wie vor gibt es viel Gewalt in Partnerschaften und Familien. Über alle Kulturen und sozialen Schichten hinweg, betont Isfen.

Stalking und Morddrohungen

Kommt eine Frau - mit oder ohne Kinder - ins Frauenhaus, geschieht dies meist in einer Hau-Ruck-Aktion. Die Opfer müssen schnell in Sicherheit gebracht werden. Das bedeutet auch: möglichst weit vom Täter entfernt. Zuvor ist es zu Hause eskaliert, der Täter hat sich über das Kontakt- und Annäherungsverbot hinweg gesetzt, sein Opfer gestalkt, analog oder digital. »Es gab auch Fälle von GPS-Trackern am Kinderwagen«, sagt Isfen. Oder das Handy der Frau wurde kontrolliert. Überhaupt habe der Druck massiv zugenommen. In einem Fall drohte der Mann, den Vater der Frau umbringen zu lassen. »Sie involvieren die anderen Familienmitglieder und sprechen permanent Morddrohungen aus«, sagt Schreiter-Liedtke.

Auch im Frauenhaus kann es hundertprozentige Sicherheit nicht geben, denn Täter versuchen, ihre Opfer zu finden. Öfters musste eine Frau an einen anderen Ort gebracht werden. Der Täter vor der Tür des Frauenhauses - ein Alptraum. In diesem Fall seien die anderen Bewohnerinnen und die Mitarbeiterinnen ebenso in Gefahr, sagt Schreiter-Liedtke.

Es geht auch um Personal und Geld

Die Bewohnerinnen bewegen sich aber draußen normal. Die Kinder nehmen Angebote von Vereinen wahr, es gibt Ferienaktivitäten, und im vergangenen Sommer gab es eine Freizeit.

Arbeit und Leben im Frauenhaus werden jedoch durch verschiedene Hürden erschwert, wie Schreiter-Liedtke und Isfen erläutern: So fehle es an Psychotherapie-Plätzen. Das Team wäre dankbar, wenn es mehr Personal für die Frauen und Kinder zur Verfügung hätte. Es gebe keine Betreuungsplätze für Null- bis Sechsjährige, und die Integrationskurse mit Kinderbetreuung seien weggefallen.

Die Frauen benötigen meist umfassende Unterstützung, wenn es darum geht, sich ihrer Rechte bewusst zu werden und selbstständig ihren weiteren Lebensweg mit ihren Kindern zu leben. Dabei stünden viele Hürden im Weg, beklagen die Expertinnen. Laut Schreiter-Liedtke geht es insbesondere um Geld vom Jobcenter: »Es wäre wünschenswert, wenn der bürokratische Weg sehr verkürzt werden würde, damit die Frauen nicht wieder gleich eine Abhängigkeit zu spüren bekommen müssten.« Der Verein »Frauen helfen Frauen« müsse immer wieder größere Summen über längere Zeiträume vorstrecken.

Wohnungsmangel blockiert Plätze

Und dann der Wohnungsmangel: So gebe es Frauen, die bereit seien für ein selbstständiges Leben, aber nur deshalb noch im Frauenhaus wohnten, weil sie noch keine eigene Wohnung gefunden hätten, berichten Isfen und Schreiter-Liedtke. So ergehe es etwa einer Frau mit vier Kindern, die seit Mai 2022 im Frauenhaus leben. Sie belegen damit unnötigerweise Schutzplätze.

Es gibt noch eine Hürde: Nicht jede Frau schafft die dauerhafte Trennung vom Täter. Auch wenn auf den Frauenhaus-Aufenthalt, der durch die Wohnungsnot im Durchschnitt ein Jahr und länger andauert, eine Nachbetreuung folgt. Sie gehen manchmal zurück zum Ehemann beziehungsweise Partner. Eine Rolle spiele dabei die finanzielle Abhängigkeit der Frau vom Mann, sagen Isfen und Schreiter-Liedtke.

Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses und der Beratungsstelle machen den Frauen Mut und stärken sie in ihrem Selbstverständnis als gleichberechtigte Frau, um sie in ein selbstständiges und glückliches Leben zu begleiten und sie dafür stark zu machen. Darum geht es bei »Frauen helfen Frauen«

Notfall-Nummer, Spendenkonto, Appell

Im Frauenhaus des Wetteraukreises hat es im vergangenen Jahr 10 151 Belegungstage gegeben. Rund 47 Frauen und etwa 85 Kinder sind in Sicherheit gebracht worden. Das multiprofessionelle Team besteht aus acht Mitarbeiterinnen in Teilzeit, due sich rund um die Uhr im Frauenhaus engagieren. Zwei weitere Teilzeit-Mitarbeiterinnen leisten in der Beratungs- und Interventionsstelle professionelle Unterstützung bei Gewaltkonflikten. Der Verein »Frauen helfen Frauen Wetterau« würde das Team ab sofort gerne um eine Verwaltungsfachkraft erweitern und ab Juli eine neue Mitarbeiterin für die Beratungsstelle gewinnen. Von Gewalt betroffene Frauen können sich unter Tel. 06031/15353 melden - und im Notfall rund um die Uhr unter der Nummer 0 60 31/1 53 54. Wer den Verein »Frauen helfen Frauen Wetterau« finanziell unterstützen möchte, kann dies auf folgendem Wege tun: Frauen helfen Frauen e.V., Sparkasse Oberhessen, IBAN: DE80 5185 0079 0030 0080 06 / BIC: HELADEF1FRI. Weitere Informationen sind unter www.frauenhaus-wetterau.de zu finden. Das Team freut sich auch über ehrenamtliches Engagement und Sachspenden. Simone Schreiter-Liedtke und Ferhan Isfen wünschen sich neben Spendengeldern auch etwas von der Polizei: Immer wieder ein Auge auf die Täter haben und gegenüber den betroffenen Frauen Empathie zeigen und die Frauen in dieser Akutsituation ernst nehmen. Zudem sollten Institutionen beim Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kinder besser vernetzt werden.



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