. Gesellschaftliche und persönliche Themen standen im Mittelpunkt des jüngsten Poetry Slams im Jokus. Im monatlichen Dichterwettstreit präsentierten die fünf beteiligten Wortkünstler Texte, die von innerer Zerrissenheit über gesellschaftliche Missstände bis hin zu eindringlichen Appellen für Offenheit und Toleranz reichten. Mit einer Mischung aus scharfsinnigen Alltagsbeobachtungen und sprachlicher Finesse sorgten sowohl erfahrene Bühnenprofis als auch Nachwuchspoeten für einen kurzweiligen Abend, der das gut gelaunte Publikum gleichermaßen zum Nachdenken und Lachen anregte.
Auftakt mit Gefühlsleben
Sascha Spring aus Gießen eröffnete den Abend mit einem gefühlvollen Text und gab Einblicke in ein zerrissenes Seelenleben. Sätze wie »Meine Tränen sind Flammen, und wer nicht aufpasst, verbrennt sich an ihnen« und »Mein Dasein ist ein Echo, ein Klang ohne Widerhall, ein Lied, das niemand singt« trafen das Publikum mitten ins Herz. Moderator Benedict Hegemann, der gewohnt humorvoll durch den Abend führte, kommentierte augenzwinkernd: »Ein Text, der auch gut die Beziehung der FDP zur Ampel beschreiben könnte - mit der Dunkelheit und der Fragwürdigkeit, ob die Beziehung noch funktioniert«.
Die Trau(er)rednerin, Slamerin und Autorin Jessica Davis überzeugte mit ihrem Text über gesellschaftliche Toleranz und die Herausforderungen des alltäglichen Miteinanders. Damit katapultierte sie sich direkt ins Finale. Sie kritisierte: »Noch nie hatte man mehr Meinungsfreiheit als jetzt, noch nie haben mehr Menschen weggehört, während gewisse Parteien auf offener Straße gegen Frauen in Kopftüchern hetzen.«
Der »Kern des Political Correctness« sei längst verlorengegangen, während »Politiker*innen im Bundestag wieder offen kommunizieren dürfen, dass sie andere Kulturen hassen«. Anhand einer Begegnung mit einer Bäckereifachverkäuferin verdeutlichte Davis, wie Unsicherheiten im Alltag nicht zwangsläufig zu Diskriminierung führen müssen. Statt die unbeholfene Frage nach Haarpflege-Tipps für die Tochter der Freundin, die ja auch so wie sie sei, bloßzustellen, reagierte sie mit Geduld: »Um mehr geht es doch auch gar nicht. Wir Minderheiten sind eigentlich nur auf eines erpicht, ein klitzekleines bisschen Einsicht.«
Davis Appell: Es komme weniger auf perfekte Formulierungen an, sondern auf die ehrliche Absicht, niemanden zu verletzen. »Ob etwas wirklich rassistisch ist oder nicht, kann man nicht so gut beurteilen, wenn es einem nicht selbst betrifft. Frag einfach jemanden wie mich, wir antworten ganz bestimmt. Oder mache es wie die Bäckereifachverkäuferin, die im Angesicht von Zweifel ganz kurz in sich ging und anstatt gerade heraus das Wort zu sagen, was ihr vielleicht gefällt, einfach kurz die Klappe hält.«
Maximilian Kraus, Psychologiestudent aus Gießen, feierte an diesem Abend sein Poetry-Slam-Debüt und nahm das Publikum mit auf eine Gedankenreise durch Alltag und Politik. »Ich hab genug vom Stillstand«, rief er und nutzte das Bild der Bahnschranke als Metapher für gesellschaftliche Blockaden. Persönliche Wünsche, »mehr Brücken zu bauen«, verband er mit der Forderung nach »umweltfreundlichem und öffentlichem Personenverkehr«. Mit einem Hauch Ironie und der Sehnsucht nach »warmen Temperaturen« schloss er: »Wie gut, dass ich weiß, dass der März bald vorbei ist.«
Sven Hensel aus Bochum nutzte in seinem Text Tauben als Sinnbild für queere Menschen und brachte mit schrägen Vogelnamen, von denen nur die »Anusente« ausgedacht war, das Publikum zum Lachen, ohne die tiefere Botschaft zu verlieren. Er wünschte sich, »statt Stadtrandtaube viel lieber ein Flamingo« zu sein und träumte »von nem freien Leben für Vögel ganz ohne Barrieren«.
Schräge Vögel und ihre Namen
Artem Zolotarov aus Mainz zeichnete in »Ich male ein Bild, das Deutschland heißt« das Bild eines vielfältigen Landes und appellierte an Offenheit und Empathie. »Die Zukunft ist ein buntes Bild, dem noch die Farbe fehlt«, sagte er und forderte »Schärfe im Verstand und Weichheit in den Herzen«. Seine Vision: Ein Deutschland, das »die Narben der Fremdenscheu und Feindlichkeit« übermalt und den Mut zum Wandel zeigt.
Jessica Davis und der ebenfalls Bühnen-erfahrene Artem Zolotarov zogen mit ihren Texten ins Finale ein, in dem sich die Darmstädterin schließlich den Sieg sicherte. Während Davis sich über den ersten Platz und ein Buch als Preis freuen durfte, nahm Zolotarov ein Gläschen Zucker entgegen, das spontan aus dem Publikum mitgebracht wurde.
Der nächste Poetry Slam der monatlichen Reihe im Jokus findet am 20. März statt.