45 Jahre am Stück - so lange ist Rudger Rauch (SPD) ein Mitglied der Gemeindevertretung in Wölfersheim gewesen. »Das ist ein ›starkes‹ Stück«, sagte Vorsitzender Gerhard Weber am Dienstag und meinte das natürlich positiv. Die Gemeindevertretersitzung begann mit Rauchs Ernennung zum Ehren-Gemeindevertreter. Dazu waren auch ehemalige Weggefährten in die Wetterauhalle gekommen: Altbürgermeister Joachim Arnold, der die Laudatio hielt, und dessen Amtsnachfolger Rouven Kötter.
»Es ist ein besonderer Anlass und eine besondere Ehre, die Laudatio zu halten«, sagte Arnold (SPD). 1994 bis 2008 war er Bürgermeister , hatte also fast 15 Jahre mit Rauch zusammengearbeitet. In seiner zeitgeschichtlichen Rede wolle er zusammenfassen, wie Rauch in Wölfersheim gewirkt habe. Schon Rauchs Vater sei Gemeindevertreter gewesen, in einer Zeit, als Södel noch eine eigenständige Kommune gewesen war. Rauch sei als junger Mann Ende der 70er-Jahre in die Gemeindevertretung gewählt worden. »Eine spannende Zeit, eine Zeit des Aufbruchs«, charakterisierte Arnold, habe man doch noch die Auswirkungen des Zusammenschlusses gemerkt.
Gemeindevertretung in Wölfersheim: Mit Empathie und Emotionen
Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre habe sich dann das Ende des Bergbaus und des Kraftwerks abgezeichnet. Auch politisch seien die Zeiten rauer geworden: Die NDP zog in die Gemeindevertretung ein. »Doch es gab immer Menschen, die sich dem entgegengesetzt haben«, sagte Arnold. »Ich kann Ihnen nur raten, dies heute auch zu tun«, sagte er, wohl angesichts der jüngsten Zahlen der Europa-Wahl in Deutschland. Abseits der Gemeindevertretung arbeitete Rauch als Ingenieur, sagte Arnold, und sei als solcher gradlinig, strukturiert und zielführend denkend. Rauch habe Budget- und Personalverantwortung gehabt und diese Erfahrung auch in die Gemeindevertretung eingebracht: Lange war er Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses.
»Du bist ein Mensch, den ich persönlich kenne. Der viel Empathie, aber auch Emotionen hat«, sagte Arnold am Rednerpult zu Rauch, der ihm gegenüberstand. Emotionen habe er oft auch in der Gemeindevertretung gezeigt, so wie seine soziale Komponente. Die Entwicklung der Wölfersheimer Schulen und Kitas habe Rauch immer am Herzen gelegen. »Es waren erfüllte 45 Jahre in der Gemeindevertretung«, meinte Arnold, ehe er augenzwinkernd in Richtung der übrigen Parteivertreter anfügte: »Viele von Ihnen haben dieses Alter noch gar nicht erreicht.«
Gemeindevertretung in Wölfersheim: Ein Dank für klare Worte
Rauch habe selbst entschieden, sich zu verabschieden. Seit der Sitzung am 30. Januar dieses Jahr nimmt Doreen Meurer seinen Platz ein. »Du hast es immer mit Freude gemacht«, sagte Arnold. »Danke im Namen aller Bürger.« Wölfersheim sei eine Gemeinde, die lebenswert und zukunftsweisend sei. »Es bleibt auch für Sie noch etwas übrig, zu tun«, sagte er zu den anderen Gemeindevertretern. Der amtierende Bürgermeister Eike See (SPD) dankte Rauch für seine »immer klaren Worte« und unterstreiche Arnolds Worte »doppelt und dreifach«.
Als sich die Versammlung für Rauchs Ernennung zum Ehren-Gemeindevertreter erhob, sagte See augenzwinkernd: »Jetzt darf der 44-jährige Bürgermeister die Urkunde an jemanden überreichen, der 45 Jahre in der Gemeindevertretung gesessen hat.« Anschließend übergaben er und Weber Geschenke.
Gemeindevertretung in Wölfersheim: Zwei Ratschläge, ein »Glück auf!«
Danach wandte sich Rauch an die Versammlung: »Das berührt mich emotional sehr stark, wenn Joachim Arnold Revue passieren lässt, was wir alles geleistet haben.« Er wolle sich entschuldigen bei denen, die er in der »Hitze des Gefechts« womöglich beleidigt habe, und sich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Zum Schluss gab er den Gemeindevertretern zwei Ratschläge. Erstens: »Denkt immer zuerst an die Wölfersheimer Bürger!« Zweitens: »Bei jedem Euro, den ihr ausgebt, denkt daran: Es ist nicht das Geld der Gemeinde, sondern hart verdient von jedem Bürger.« Rauch schloss mit den Worten: »Macht weiter so, Glück auf!«
Info: Ab in den Ausschuss
Am Dienstagabend haben die Gemeindevertreter einige Anträge in die Ausschüsse verwiesen. Eine Beschlussvorlage des Gemeindevorstands zum Katastrophenschutz, zu einer Stabdienstordnung und verschiedenen Einzelmaßnahmen - wie ein Notstromaggregat für das Rathaus, Sachmittel (Verpflegung, Feldbetten, Decken etc.), Strom und Wärme für den zentralen Sammelpunkt in der Singberghalle - ging in den Haupt- und Finanzausschuss. Bürgermeister Eike See war zuvor ans Rednerpult getreten und hatte die Punkte vorgestellt: »Bei wichtigen Punkten steht man auf.« Der Grund: Die Gesamtkosten der Maßnahmen belaufen sich auf 488 500 Euro und sind eine außerplanmäßige Ausgabe. »Das ist sehr viel Geld und ein wichtiges Thema, ich wäre froh, wenn wir uns im Ausschuss darüber unterhalten.« In den Bauausschuss wurde eine Verwaltungsvorlage über die Neufassung der Stellplatzsatzung verwiesen. »Diese Satzung musste sehr lange nicht angefasst werden«, sagte See. »Jetzt haben wir einen neuen Entwurf mit Beispielen.« Ebenfalls in den Bauausschuss ging eine Bauleitplanung der Gemeinde, die den Bebauungsplan »Sondergebiet Erneuerbare Energien - Solar II« betrifft. »Das können wir im Ausschuss intensiv vorstellen und dazu Fragen beantworten«, sagte See. Ein Beschlussvorschlag des Gemeindevorstands zur Platzgestaltung des Kirchhofs in Melbach ging auf Bitte von Nina Gerlach (SPD) in den Bau- und Sozialausschuss. Der Kirchhof sollte in eine Begegnungsstätte - für Feiern, Open-Air-Gottesdienste, mit Boule-Platz - umgestaltet werden, dazu sind im Haushalt 2022 Mittel eingestellt worden. Allerdings, so See, hätten Voruntersuchungen gezeigt, dass sich - wegen zwei Kellern, die sich unterm Kirchhof befinden - ein statisches Problem für den Platz ergebe. Deshalb wollte der Gemeindevorstand (See: »ganz untypisch«) zwischen zwei Varianten abstimmen lassen: Entweder, a) das Projekt wird eingestellt und die Mittel fließen in Sanierung bzw. Unterhaltung des Bauwerks - oder - b) es werden weitere Untersuchungen für die Verfüllung der Gewölbekeller mit der Denkmalschutzbehörde forciert. Dann müssten weitere Mittel für die Ertüchtigung zur Verfügung gestellt werden. In beiden Fällen solle ein Ingenieurbüro eingeschaltet werden. Doch erstmal wird darüber jetzt in den Ausschüssen diskutiert.