Sie ist übernimmt in dieser Akrobatik-Kür den Part, den in der Regel der Mann übernimmt. Sie ist stark und trägt den Mann auf Händen oder besser gesagt auf Füßen. Dennoch ist sie alles andere - was naheliegen könnte - als ein burschikoses Mannweib. Vielmehr ist diese Darbietung neben schwierigen Tricks geprägt von Schönheit und Anmut, und am Ende ist auch egal, wer oben und unten, wer links und wer rechts ist. Es ist ein harmonisches Gesamtkunstwerk.
Davon dürfen sich die Besucher des 18. Internationalen Ovag-Varietés vom 10. Januar bis 5. Februar im Dolce-Theater überzeugen, bei dem dieses Mal 45 Artisten aus 20 Nationen angekündigt sind. Der Nachfrage nach Karten ist so enorm, dass jetzt eine Zusatzveranstaltung angesetzt wurde.
Die 28-jährige Vanessa Baier hat einen der interessantesten Werdegänge unter diesem Aufgebot von internationalen Varieté-Stars. Geboren ist sie 1991 in Fulda, wo sie im Alter von sechs Jahren mit dem Kinder-Ballett begann. Im Alter von neun Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Berlin. Besuchte die Übungsstunden eines Kinderzirkus und konfrontierte nach der achten Schulklasse ihre Mutter mit dem Wunsch, in die Staatliche Artistenschule in Berlin fortab die Schulbank zu drücken. »Meine Mutter war alles andere als begeistert. Sie willigte nur unter der Bedingung ein, dass ich ihr verspreche, mein Abitur zu machen.«
In der Artistenschule traf sie Sven Böker, der im gleichen Jahr dort begann, und die beiden fanden als Artistik-Paar zusammen in der erwähnten ungewöhnlichen Konstellation. Die Schule schlossen sie nicht nur mit dem Abitur ab, sondern auch als Jahrgangsbeste in Sachen Artistik. Von da an ging ihre Karriere steil nach oben: Zahlreiche Auszeichnungen und internationale Engagements folgen. »Das war unglaublich. »Du bist gerademal 19, bekommst einen Vertrag und Flugtickets in die Hand gedrückt«, sagt Vanessa.
Beim Ovag-Varieté in Bad Nauheim wird Baier nur mit halbem Kopf dabei sein. Das heißt: Während ihrer Show ist sie natürlich hundertprozentig bei der Sache, dafür ist sie durch und durch Profi. Aber ansonsten wird sie über Büchern büffeln, weil ihr ihre bisher schwierigste studentische Prüfung bevorsteht, das Erste Staatsexamen.
Sie möchte Ärztin werden
»Als ich 18 war, wollte ich Ärztin werden. Aber gleichzeitig wollte ich Artistin sein«, sagt sie und lächelt verschmitzt. Was tun? Ganz einfach: Eins nach dem anderen. Zumal der zweite Traum von dem Wissen flankiert war, dass auch der fitteste Körper irgendwann einmal den Anforderungen an einen Spitzenartisten nicht mehr gewachsen ist. »Also schrieb ich mich 27 an der Charité in Berlin zum Studium ein.« Die Reaktion ihres Bühnenpartners Sven: »Geschockt, wenngleich er um meinen Wunsch wusste. Schließlich standen einschneidende Veränderungen bevor, die unser Leben auf Kopf stellen würden, und es galt einiges umzustrukturieren. Seitdem ist er der beste Unterstützer, den ich mir wünschen kann.« Die gemeinsamen Auftritte sind weniger geworden; Sven Böker ist zu einem gefragten Handstandartisten geworden, der sich selbst auf den eignen Händen zu tragen weiß. »Inzwischen habe ich es geschafft, Studium und Artistik unter einen Hut zu bekommen.«
Karten für das Varieté gibt es bei der Ovag in Friedberg telefonisch unter 0 60 31/68 48 11 13 oder online unter www.tickets-wetterau.de.