Friedberger Studentenwohnheim: »Mein Heim ist eine Burg«
Das Thema Wohnen ist bei Studenten oft der Knackpunkt. Denn die Lage in den Unistädten ist angespannt. Doch auch innerhalb von Boom-Regionen gibt es große Unterschiede bei Preisen und Verfügbarkeit – wie das Beispiel Friedberg zeigt.
26. September 2018, 16:00 Uhr
Von Philipp Keßler
Das Studentenwerk Gießen investiert in den sogenannten Feldwebelbau in der Friedberger Burg. Dort sollen Ende des Jahres 31 neue Einzelappartements bezugsfertig sein.(Foto: jw)
München, Hamburg, Stuttgart, Köln – und Frankfurt. Das sind die teuersten Unistädte Deutschlands. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Moses Mendelssohn Instituts gemeinsam mit dem WG-Vermittlungsportal WG-gesucht.de. Während gerade in der Spitzengruppe die Preise für Wohnraum in Wohngemeinschaften und auch in Ein- oder Zweizimmerwohnungen steigen, gibt es aber auch innerhalb von Regionen, die eigentlich allesamt Mieterhöhungen aufweisen, Unterschiede – zum Beispiel in Gießen und Friedberg.
Während Frankfurt laut Studie einen Wert von 73,5 und damit ein Plus von 3,0 Punkten innerhalb der 100-Punkte umfassenden Skala zugelegt hat und so deutschlandweit auf Rang vier liegt, ist die Situation in Gießen mit 42 Punkten bei einem minus von vier Zählern sowie dem Absinken von Rang 27 auf Platz 36 deutlich entspannter. Noch besser sieht es in Friedberg aus, wo der Wert von 39,0 auf 37,0 gesunken ist, sodass die Stadt im Wetteraukreis im Ranking von Rang 42 auf Platz 48 gefallen ist.
Wohnungslage spitzt sich an beliebten Standorten zu
Dennoch gehört keine der beiden Städte zu denen mit mehr als 5000 Studierenden, in denen die Wohnungslage »wenig angespannt« ist. Für ihre Studie hat das Institut 23 Faktoren untersucht, etwa die Entwicklung der Studierenden- und Erstsemesterzahlen, die Altersstruktur der Bewohner der Stadt, die Quote an geförderten Wohnheimen, das Immobilienangebot in der Stadt allgemein sowie die Attraktivität der Universitätsstadt.
Das Fazit aus Sicht der Studienleiter: »Im Bundesschnitt stellen wir im sechsten Jahr der Untersuchung einen weiteren Anstieg des Index fest, von durchschnittlich 37,7 auf 37,9 Punkte. Das ist ein neuer Höchstwert. Vor allem an Standorten, die ohnehin gefragt sind, spitzt sich die Lage zu«, lässt sich der Direktor des Moses Mendelssohn Instituts, Dr. Stefan Brauckmann in einer Pressemitteilung zitieren.
Hinter der Friedberger Burg auf der Ritterwiese wird ein neues Wohnheim mit 35 Plätzen für...
Hauptursache sei demnach eine Mischung aus zunehmender Nachfrage, steigenden Preisen und mangelndem Angebot. Dies gelte für Wohnraum aber auch für Grundstücke, auf denen potenziell gebaut werden könne. »In vielen Städten sind die Grundstücks- und Immobilienpreise einfach zu hoch, um im privaten Segment noch Mieten darzustellen, die ins studentische Budget passen. Die finanzielle Förderung von Bund und Ländern ist dort bisher kaum ein Anreiz, doch zu bauen«, sagt Brauckmann.
Dies sei besonders prekär vor dem Hintergrund einer Rechnung, dass ein durschnittliches WG-Zimmer in Frankfurt inzwischen 480 Euro koste. Zum Vergleich: Die laut BAfÖg-Satz angesetzte offizielle Wohnkostenpauschale liegt aktuell bei 230 Euro. »Diese Zahl spiegelt die Situation gerade in nachgefragten Hochschulstädten in keiner Weise wieder«, sagt Brauckmann. Zumal eine WG ohnehin schon die günstigste Alternative des Wohnens sei, gehe es um den Markt von Ein- und Zweizimmerwohnungen müssten Studierende mittlerweile mit Auszubildenden, Trainees, Berufsanfänger Singles, Menschen mit einem Zweitwohnsitz in der Stadt sowie internationalen Gästen und Arbeitskräften konkurrieren.
Nicht einmal jeder Zehnte erhält Wohnheimsplatz
Selbst Wohnheime könnten da keine Abhilfe mehr schaffen, denn im Schnitt bekämen nur 9,6 Prozent und damit nicht einmal jeder Zehnte Studierende einen entsprechenden subventionierten Platz zum Wohnen.
Auch wenn Friedberg und Gießen damit nicht für Studierende vor Ort, sondern auch für Pendler, etwa nach Frankfurt oder Kassel interessant sind, sei die Situation doch immer so angespannt, dass schon kurzfristige Entwicklungen dafür sorgen könnten, dass der Anspannungsfaktor in den kritischen Bereich von über 50 Punkten innerhalb des Rankings rutsche.
In Friedberg ist man sich Ernst der Lage bewusst
Das sieht auch Eva Mohr, Pressesprecherin des Studentenwerks so. Das Wohnheim in der Steinkaute sei mit 216 Plätzen voll belegt, aktuell seien 90 Studierende registriert, denen kein Wohnheimplatz angeboten werden könne. Das erhöhe die Wartezeiten auf mehrere Monate.
Bei der Stadt Friedberg ist man sich des Ernsts der Lage bewusst. »Die Situation ist schwierig. Wir müssen den Markt ständig beobachten und werden uns dieses Themas irgendwann wieder annehmen müssen«, sagt die Leiterin des Liegenschaftsamts Dr. Christiane Pfeffer. Das Problem sei, dass Bauen immer teurer werde und in Friedberg zudem auch der Platz fehle, um von städtischer Seite aktiv zu werden. Bislang bauten das Studentenwerk Gießen – so wie aktuell in der Burg – und private Investoren, allerdings nur in »überschaubarem Rahmen«. Auch bei der Wohnungssuche könne man Studenten deshalb nur bedingt unterstützten, da die Wohnungsstelle vor allem Menschen als Zielgruppe an, die aus sozialen Gründen Anspruch auf geförderten Wohnraum hätten – dazu zählten Studierende nur in den seltensten Fällen.
Die Lage werde dadurch verschärft, dass Friedberg eben auch eine Pendlerstadt sei, dass also nicht nur Studierende in die Stadt pendeln, sondern noch mehr aus ihr hinaus. Dies ergebe sich alleine schon aus dem S-Bahn-Endhaltepunkt mit Fahrtrichtung Frankfurt und damit dem Anschluss ans Rhein-Main-Gebiet. »Von hier aus ist man in 20 Minuten in Frankfurt oder Gießen. Das ist einerseits schön, hat aber natürlich auch Folgen«, sagt Pfeffer. Aus diesem Grund müsse die Stadtpolitik sich auch in Zukunft mit dem Thema Wohnraum – auch für Studierende beschäftigen.
Übergangsquartiere für 10 Euro am Tag
Das Studentenwerk bietet ab Anfang nächsten Jahres 31 neue Einzelappartements im ehemaligen Feldwebelbau an, im Herbst 2019 sollen 35 weitere im Neubau auf der Ritterwiese dazukommen – und es soll weiter gebaut werden. Aktuell bemühe man sich um die Übertragung des Geländes der leer stehenden Jugendarrestanstalt. »Hier ließen sich auf einen Schlag mehrere hundert Wohnheimplätze realisieren«, sagt Mohr.
Konkrete Hilfe gibt es vom Studentenwerk auch. Denn zum Start des neuen Semesters Mitte Oktober ist mit »Netzwerk Wohnen« eine neue Initiative auf die Beine gestellt worden. »Mit diesem Projekt haben wir eine Vermittlungsstelle zwischen Studierenden und privaten Vermietern geschaffen«, lässt sich Ralph Vogtmann, Leiter der Abteilung Städtisches Wohnen, in einer Pressemitteilung zitieren. Angebote privater Vermieter für Gießen und Friedberg würden so zentral und tagesaktuell zur Verfügung gestellt. Der Aktionszeitraum dauere bis 26. Oktober. Zudem gebe es das Vermittlungsportal »Wohnen für Mithilfe«, für all diejnigen, die sich vorstellen können, auch einen nicht finanziellen Beitrag zur Miete zu leisten wie etwa Rasen mähen oder Einkaufen. Wer bis zum Studienbeginn gar keine Bleibe hat, für den gibt es kurzfristig Übergangsquartiere für 10 Euro pro Tag.
Info
Helfen – und Hilfe bekommen
Vermieter können ihre Angebote unter Tel. 06 41/4 00 08-3 30, per Fax an 06 41/4 00 08-3 09, per E-Mail an netzwerkwohnen@studentenwerk-giessen.de oder eigenständig auf der Online-Wohnbörse melden – natürlich kostenfrei. Auch eine persönliche Meldung am Info-Point in der Mensa der Uni Gießen in der Otto-Behaghel-Straße ist möglich. Wohnungssuchende erhalten montags bis donnerstags von 10 Uhr bis 15 Uhr sowie freitags von 10 Uhr bis 14.30 Uhr beim Studentenwerk Unterstützung sowie Zugriff auf die Wohnungsanzeigen lokaler Tageszeitungen und des Portals. Für all die, die eine weite Anreise für etwaige Besichtigungstermine haben, gibt es zudem Übergangsquartiere.