Nena ist schon immer da gewesen. Als Kind hat sich ihre markante Stimme in meinem musikalischen Gedächtnis eingenistet und ich habe sie bis heute im Ohr. So dürfte es vielen Menschen bis 40 Jahren gehen. Denn so lange steht Nena, die mit bürgerlichem Namen Gabriele Susanne Kerner heißt, schon auf den Bühnen der Republik. Dabei scheint die quirlige 58-Jährige nichts von ihrer Energie aus Zeiten von Vokuhila, Stirnband und Leggins verloren zu haben. Als moderne Popikone schwimmt sie jedoch auf der Welle der Zeit – und die schwappt im August nach Gießen.
Derzeit lüft die »Nichts versäumt«-Tour 2018. Sind Sie trotz so viel Bühnenerfahrung noch nervös vor der Auftakt-Show?
Nena: Es ist immer wieder richtig aufregend, auf eine Bühne zu gehen, einfach loszulegen und die Leute im Publikum zu spüren. Die Motoren laufen hoch, und es fühlt sich ein bisschen so an, wie im Winter in ein eiskaltes Bett zu springen. (lacht) Musikmachen ist pure Freude.
Gibt es ein Ritual zur Einstimmung vor den Shows oder dem Tourstart?
Nena: Kurz vor Showbeginn spreche ich meistens noch ein kurzes Gebet und konzentriere mich einen Moment lang auf meinen Atem. Und in der Sekunde bevor es dann tatsächlich auf die Bühne geht, bilden wir als Band einen Kreis, führen unsere Hände in der Mitte zusammen und stoßen gemeinsam einen lauten Schrei aus und lassen unsere Arme dabei nach oben fliegen. Das tut uns allen sehr gut, weil wir uns darüber noch mal kurz und knackig miteinander für den Auftritt verbinden.
Haben Sie sich auf Tour auch schon mal Zeit für Sightseeing genommen?
Nena: Das kommt leider nur selten vor, weil mir einfach die Zeit dafür fehlt. Die Reisetage rund um eine Show sind so gut wie durchgeplant, und es gibt nicht so viele Off-Days. Wenn ich die Möglichkeit habe, schaue ich mir die Städte und die Umgebung aber auf jeden Fall immer gerne an.
Auf das Kloster Schiffenberg freue ich mich schon sehr
Nena
Die Locations der Tour 2018 lesen sich wirklich edel vom Schlossgarten über Römerdorf bis zum Gießener Kloster Schiffenberg. Ganz anders war da die Clubtour 2015 mit Venues wie der Batschkapp Frankfurt oder dem legendären SO36 in Berlin. Warum ist beides reizvoll für Sie?
Nena: Im SO36 und in der Batschkapp zu spielen war ein ähnliches Gefühl wie im CBGB in New York – einfach umwerfend und cool! Der Laden war brechend voll, es war heiß und verschwitzt, so wie sich das für einen guten Club-Gig gehört. Aber Open Air ist auch immer toll und im Sommer natürlich das allerbeste! Vor allem kommt es darauf an, mit einem guten Gefühl auf die Bühne zu gehen, und den Leuten und auch uns als Band einen schönen Abend zu bereiten. Egal ob Open Air oder in einer Halle, wenn der Vorhang fällt, zählt nur noch reinspringen und on sein. Und auf das Kloster Schiffenberg freue ich mich schon sehr!
99 Luftballons ist ein Welthit. Haben Sie das Gefühl, dass die Anti-Kriegs-Botschaft des Songs dabei übersehen wird?
Nena: Die Luftballons wurden überall auf der Welt als Friedenslied verstanden, und das ist bis heute so, außer in Deutschland. Wir haben immer an den Song geglaubt und hundertprozentig dahinter gestanden. Der Song erzählt die Friedensbotschaft auf seine eigene Weise und spricht über Missverständnisse und kleine Dinge, die große Folgen haben können. Die Vision für den Text hatte Carlo Karges, als wir mit der Band 1982 in einem Rolling Stones-Konzert in Berlin waren. Mick Jagger ließ am Ende der Show Ballons hochsteigen, die der Wind in Richtung Mauer trug. Carlo hat sich bei diesem starken Bild damals die Frage gestellt, was passiert eigentlich, wenn das jemand falsch versteht. Noch in derselben Nacht schrieb er den Text, zeigte ihn mir am nächsten Tag im Proberaum, und ich wollte das sofort singen. Uwe kam mit seinem berühmten Riff um die Ecke, mir fiel eine Melodie ein, alles floss ineinander und es vibrierte richtig … Der Song war geboren, und wir konnten fühlen, dass damit etwas Großes passieren würde. 99 Luftballons wurde ein Welthit – Und solange ich auf der Bühne stehe, wird es kein Nena-Konzert ohne sie geben. Ich liebe diesen Song.
Wie wird entschieden, welche Lieder auf der Setlist landen – generell, aber auch gerade jetzt für die Best-of-Tour?
Nena: Die Songauswahl für meine »Nichts versäumt Tour« fiel mir nicht so leicht. Ich hatte alle meine liebsten Nena-Songs aus 40 Jahren auf einem Blatt Papier stehen und hätte allein damit ein Fünf-Stunden-Konzert spielen können. Da musste ich leider ganz viel wieder rausschmeißen. Das ist jedes Mal ein Prozess und ohne regen Austausch darüber mit Band und Family würde mir das echt schwer fallen. (lacht) Und es macht auch viel mehr Spaß, so was gemeinsam zu erarbeiten. Aber klar, die letzte Entscheidung liegt in meiner Verantwortung. Auf dieser Tour spiele ich übrigens die ersten 45 Minuten der Show ausschließlich Songs aus den 1980ern und zum ersten Mal wirklich alles im Original-Sound. Es sind auch ein paar Songs dabei, die ich überhaupt noch nie live gespielt habe. Unsere Show ist eine Reise durch 40 Jahre Nena-Musik und sehr abwechslungsreich. Ich bin auch nicht nur auf der Hauptbühne unterwegs und habe diesmal in jeder Stadt und mitten im Publikum auch meine B-Stage. Die kleinste Bühne der Welt, auf der mein Drummer, mein Bassist und ich an der Gitarre ein Mini-Punk-Set spielen, um auch einmal in der Show so richtig mitten drin zu sein. Gegen Ende der Konzerte laufe ich mit meiner Band noch quer durchs Publikum, um mich persönlich zu verabschieden. Wir sind uns alle sehr nah und davon ist meine »Nichts versäumt Tour« auch irgendwie getragen.
Man weiß vorher nie genau, wie sich die nächste Show anfühlen wird
Nena
40 Jahre Musik, 40 Jahre Bühne – wie schaffen Sie es da, sich und das Publikum immer wieder neu zu begeistern?
Nena: Jedes Konzert ist neu und wieder anders. Das liebe ich. Man weiß vorher nie genau, wie sich die nächste Show anfühlen wird. Man springt da immer wieder ins kalte Wasser und das bleibt spannend und ist immer wieder auch eine wunderschöne Herausforderung. Da kommt trotz langjähriger Erfahrung keine Routine auf.
Goldene Schallplatte, Biografie veröffentlicht, eine Schule mitgegründet, mit Kim Wilde im Duett gesungen und sogar mit der eigenen Tochter – die Liste Ihrer ganz unterschiedlichen Erfolge ließe sich noch viel weiter fortführen. Was steht noch auf der To-do-Liste des Lebens?
Nena: Ich stehe seit 40 Jahren als Rockstar, Musikerin und Songwriterin auf der Bühne, bin fünffache Mutter, vierfache Großmutter, habe zusammen mit meinem Mann eine demokratische Schule gegründet, die seit zehn Jahren erfolgreich 85 Schülern Platz für freies Lernen bietet und vieles mehr. Ja, mein Leben ist bunt, und ich liebe es genau so wie es ist.
Info
Gießener Kultursommer - Programm
Donnerstag, 23. August
WINCENT WEISS
Deutschsprachiger Pop
Beginn: 19.30 Uhr, Einlass: 18 Uhr
Freitag, 24. August
SCOOTER
Elektrosound mit Pyroshow
Beginn: 20 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr
Samstag, 25. August
AMIGOS FEST
Schlager mit Nockalm Quintett, Stefan Micha, Daniela Alfinito, Phönix Trio
Beginn: 18 Uhr, Einlass: 16 Uhr
Sonntag, 26. August
ATZE SCHRÖDER
Comedy
Beginn: 19.30 Uhr, Einlass: 18 Uhr
Mittwoch, 29. August
ROGER HODGSON (EX-SUPERTRAMP)
Legendärer Singer-Songwriter
Beginn: 20 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr
Donnerstag, 30. August
NENA
Deutsche Pop-Ikone
Beginn: 19.30 Uhr, Einlass: 18 Uhr
Freitag, 31. August
FREUDENTANZ FESTIVAL
mit Saltatio Mortis, Fiddler’s Green, Versengold, Mr. Irish Bastard
Mittelalterliche Folk- und Rockmusik
Beginn: 18 Uhr, Einlass: 16.30 Uhr
Samstag, 1. September
GENTLEMAN
Deutschlands Reggae-Star
Support: The Busters
Beginn: 18.30 Uhr, Einlass: 17 Uhr
Sonntag, 2. September
JOHANNES OERDING
Deutschsprachiger Pop
Support: Norman Keil
Beginn: 19 Uhr, Einlass: 17.30 Uhr
Montag, 3. September
POETRY-SLAM MIT LARS RUPPEL
Wortakrobatik und Musik
Beginn: 20 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr
Weitere Informationen und Tickets unter www.giessenerkultursommer.de .