HSG Wetzlar gegen TV Hüttenberg. Das Derby in der Handball-Bundesliga ist das Highlight für Mittelhessen. Und es ist das Aufeinandertreffen zweier Männer, die trotz Profigeschäft dicke Kumpels sind.
15. September 2017, 16:30 Uhr
Von Philipp Keßler
Freunde fürs Leben: die beiden Handballer Maximilian Holst (HSG Wetzlar/l.) und Daniel Wernig (TV Hüttenberg). (Foto: ras)
Mittelhessen ist Handball-Land. Das ist noch mehr so, seit der TV Hüttenberg im Sommer in die erste Bundesliga zurückgekehrt ist. Dort kommt es am 7. September zum Derby um die Vormacht der Region: Die HSG Wetzlar empfängt in »ihrer« Rittal-Arena den Aufsteiger. Es ist auch das Aufeinandertreffen zweier Männer, die trotz Profigeschäft und Rivalität auf dem Parkett dicke Kumpels sind: Maximilian Holst und Daniel Wernig.
Ich freue mich, dass wir jetzt wieder gegeneinander spielen
Daniel Wernig
Sie sind gute Freunde und dennoch müssen sie das für zwei Stunden im Jahr vergessen. Die beiden Handballspieler Maximilian Holst von der HSG Wetzlar und Daniel Wernig vom TV 05/07 Hüttenberg treffen nach dem Überraschungsaufstieg der Hüttenberger am 7. September in der Bundesliga aufeinander. Bereits jetzt steht fest: Beim Mittelhessen-Derby in der besten Liga der Welt wird die Rittal-Arena beben.
Erster Berühungspunkt in Dormagen
Will nach seiner Verletzung wieder ein Torgarant für die HSG Wetzlar werden: Maximilian Ho...
Ganz lässig in Shorts und T-Shirt kommen Wernig und Holst zum Interview-Termin. Dass sie zwei echte Kumpels sind, merkt man bereits an der ersten Geschichte, die sie erzählen: »Wir waren vor ein paar Jahren zusammen auf Mykonos im Urlaub und da haben die Leute geglaubt, dass wir schwul wären«, erzählt Wernig und lacht. Holst bestätigt: »Da wurden wir schon ein paarmal gefragt, da auf Mykonos die Szene relativ groß ist, aber dann meidest Du ein paar Klubs und schon geht’s. Das war ganz witzig.«
Die beiden Außenspieler kennen sich aus einer Zeit, als bei beiden die Karriere gerade anfing. In Jugend- und Juniorennationalmannschaften hatten sie sich bereits gesehen, dann wechselte Wernig in der Saison 2010/11 zum Bundesligisten Dormagen, wo Holst bereits spielte – übrigens unter dem heutigen Wetzlarer Trainer Kai Wandschneider. »Wir haben damals schon viele verrückte Dinge ausprobiert, wie von Außen zu Außen zu spielen. Das hat immer Spaß gemacht. Durch die Insolvenz sind wir dann noch viel enger zusammengerückt«, erzählt Wernig. Zwar können die beiden die Saison zu Ende spielen, doch der Verein ist pleite, die Wege trennen sich. Holst geht zum TV Großwallstadt, Wernig wechselt zur TSG Münster in den Taunus, um näher an seinem Wohn- und Arbeitsplatz zu sein. Inzwischen ist Holst in Wetzlar, Wernig in Hüttenberg. »Wir haben uns jetzt wieder etwas angenähert, da wir wieder auf zehn Kilometer aneinandergerückt sind«, sagt Holst. »Ich find es cool, dass Hüttenberg den Aufstieg aus der dritten in die erste Liga gepackt hat und freue mich, dass wir jetzt wieder gegeneinander spielen. Das sind ja für die Region auch wieder zwei Derbys mehr, das sorgt für noch mehr Handball-Euphorie als ohnehin schon.«
Das Derby als ein Saisonhighlight
Und genau die soll es auch Anfang September geben. Für beide Teams ist es das erste Highlight der Saison. Während die HSG Wetzlar nach dem sensationellen sechsten Platz im Vorjahr auf einen sicheren Mittelfeldplatz schielt, ist der Neuling aus Hüttenberg der krasse Außenseiter in der Liga. Für Wernig und Co. geht es ab Minute eins um den Klassenerhalt. Da täten zwei Punkte aus dem Derby doppelt gut.
Der Dauerläufer im Team des TV Hüttenberg: Daniel Wernig. (Foto: Vogler)
Doch was bedeutet das für die Freundschaft? »Gegen Hüttenberg ist es ohnehin etwas Besonderes, und wenn man dann noch auf eine Mannschaft trifft, in der ein guter Freund spielt, dann ist es immer etwas Schönes und Lustiges, zumal wir direkt gegeneinander spielen«, sagt Holst. Klar ist aber auch: Für die 60 Minuten Spielzeit gibt es keine halben Sachen gegenüber dem anderen. Das haben beide bereits vor ihrer gemeinsamen Zeit bewiesen. In einem Zweitliga-Spiel trafen die beiden Außen schon einmal aufeinander und es kam zu einer denkwürdigen Szene: Wernig lief von außen mit dem Ball ein, Holst zieht in der Abwehr nur ein bisschen am Trikot, woraufhin Wernig sich theatralisch fallen lässt. Die Schiedsrichter zögern nicht: zwei Minuten Zeitstrafe für Holst. Der kann es nicht fassen, diskutiert mit den Unparteiischen und spielt sogar Wernigs Aktion auf dem Feld nach. Das Video von der Aktion hat Wernig noch heute auf seinem Handy – beide lachen, als sie es wieder sehen. »Wir haben Spaß daran, gegeneinander zu spielen, auch wenn wir beide definitiv gewinnen wollen«, verspricht Wernig.
Männerurlaube zum Aufrechterhalten der Freundschaft
Die Aktion von damals ist heute noch Thema von kleinen, freundschaftlichen Frotzeleien – ebenso wie die Größe. Denn beide sind für moderne Handballspieler eigentlich recht klein und schmal. Holst wird offiziell mit 1,80 Meter geführt, Wernig – je nach dem – zwischen 1,75 Meter und 1,79 Meter. »Ich bin seit Jahren dafür, dass das von offizieller Seite mal überprüft wird«, sagt Wernig und lacht. Denn eigentlich ist er etwas größer. Auch ansonsten sind sich Linkshänder Wernig und Rechtshänder Holst als Menschen und Handballer ähnlich: Beide ergreifen selbst gern die Initiative, anstatt wie ein klassischer Außenspieler in der Ecke auf Anspiele zu warten, beide leben nicht von ihrer Kraft oder ihrem Durchsetzungsvermögen, sondern eher von ihren technischen und spielerischen Fähigkeiten – und beide sind ausgewiesene Siebenmeter-Experten in ihrem Team.
Zur Not spielen wir irgendwann zusammen bei den Alten Herren
Maximilian Holst
»Max hat da schon die eine oder andere Variante mehr drauf und eine bessere Siebenmeterquote, aber daran arbeite ich«, verspricht Wernig und schiebt nach: »Wir müssen sowieso noch ein paar Wetteinsätze formulieren, gerade wenn wir gegeneinander spielen.« Denn: »Das gehört bei so einer Männerfreundschaft dazu.« Genauso wie über die Jahre trotz des stressigen Alltags mit Freundin, Familie, Beruf und Handball den Kontakt zu halten, auch wenn man sich ein paar Monate mal nicht gesehen hat. »Der Sport treibt einen manchmal auseinander, aber man hält Kontakt und freut sich dann, sobald man sich wieder sieht. Zur Not wird einfach mal eine WhatsApp-Nachricht geschrieben«, erzählt Wernig. Ein beliebter Ausweg sind da auch die gemeinsamen Männerurlaube, auch wenn die nach der Geburt von Wernigs erstem Kind in Zukunft sicher weniger werden dürften.
Einen gemeinsamen Traum gibt es noch
Aber vielleicht klappt es ja eines Tages auch noch einmal, dass ihr gemeinsamer Traum in Erfüllung geht: Noch einmal gemeinsam in einer Mannschaft Handball spielen. »Das wäre, glaube ich, sehr lustig. Wir hatten gemeinsam auf der Platte immer richtig viel Spaß, weil wir uns so ähnlich sind«, sagt Wernig. Ob das in Wetzlar, Hüttenberg oder einem anderen Verein klappt, weiß keiner. Beide fühlen sich nach eigenen Angaben in ihren jetzigen Teams pudelwohl, aber »zur Not spielen wir Alte Herren – mit zwei neuen Knien und einer neuen Hüfte«, scherzt Holst. »Oder im Rückraum in der 3. Liga«, fügt Wernig lachend an.
Wernig und Holst sagen...
...acht Gründe, warum Handball in Mittelhessen geil ist
1. Es ist Emotion pur.
2. Es ist laut und stimmungsvoll.
3. Es ist dynamisch und schnell.
4. Es geht Mann gegen Mann, ehrlich und direkt.
5. Es ist absolute Hingabe für den Sport.
6. Es ist kameradschaftlich – zwischen Spielern und Fans.
7. Es ist spannend bis zum Schluss.
8. Es passiert viel: Tore, Zweikämpfe, Action.