06. Februar 2019, 14:49 Uhr

»F2F-Dating«

Dating auf dem Retroweg

Die Möglichkeiten, einen Partner online auf den zahlreichen Dating-Plattformen zu finden, sind groß. Die Gefahr, enttäuscht zu werden, auch. Seit 2018 gibt es in Gießen noch einen anderen Weg, die große Liebe zu finden.
06. Februar 2019, 14:49 Uhr
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Von Katharina Gerung
(Foto: Nathalie Stüben (dpa))

Parship, ElitePartner, LoveScout24, eDarling, Tinder: Unzählige Dating-Plattformen erwecken den Eindruck, als wäre es in unserer Gesellschaft heute unmöglich, einen Partner noch auf ganz ursprüngliche Weise kennenzulernen – offline.

Dabei macht die große Vielfalt die Partnersuche gar nicht unbedingt einfacher. »Vor allem online sinken die Hemmungen, was Beleidigungen und sexuelle Belästigungen angeht. In den Apps geht es zu 99 Prozent nur um das Eine«, erzählt Louisa Fischer (*Name geändert). Mehrmals schon musste die 35-Jährige aus Gießen derbe und zweideutige Sprüche über sich ergehen lassen.

Das Problem in der Online-Welt des Datens: Es gibt quasi keine Konsequenzen. Der Nutzer wird im schlimmsten Fall gelöscht, meldet sich danach aber unter anderem Namen wieder an. Damit nicht genug: »Es gibt viele Fake-Profile und es ist erschreckend, wie viele vergebene Männer auf der Suche nach einer Affäre sind«, sagt Fischer. »Ich wage zu behaupten, dass online maximal ein Prozent etwas wirklich Ernstes sucht.«

 

Ein Abend, drei Bars

Die 35-Jährige ist seit über zwei Jahren Single, nach mehreren Online-Fehlschlägen der Kategorie »Katastrophe«, probierte sie im letzten Jahr auf Empfehlung einer Freundin etwas Neues aus: Face to Face Dating (F2F).

»12 Liebeszufälle« verspricht der Anbieter allen, »denen Speed Dating zu schnell geht«, »die feiern und nicht baggern wollen« oder »den Traumpartner nicht im Biomarkt kennenlernen«. An einem Abend mit drei Bars und jeweils vier bis sechs neuen Leuten soll dies für 15,90 Euro möglich gemacht werden. Die Anmeldung erfolgt im Zweierteam oder einzeln – in diesem Fall bekommt man einen Partner gestellt. Der Veranstalter teilt die Teilnehmer dann in insgesamt vier Altersgruppen: 20–35, 30–40, 40–50 und 50+. Im Rhythmus von 90 Minuten werden die Bars gewechselt, am Ende kommen alle zu einer Abschlussparty zusammen. Wer sich am selben Abend nicht traut, nach einer Handy-Nummer zu fragen, hat im Anschluss online die Möglichkeit, anonym mehrere Favoriten anzugeben. Der Veranstalter arrangiert dann ein Treffen.

»Die Leute bei uns haben die Schnauze voll von der ganzen Oberflächlichkeit und den Enttäuschungen beim Treffen«, sagt Rico Hetzschold. Der 39-Jährige ist Mitbegründer von F2F und spricht aus Erfahrung. Als er sich 2012 von seiner damaligen Freundin trennte, irrte auch er durch den Online-Dating-Dschungel, probierte Single-Kochen und Speed Dating – ohne Erfolg. Ihn beschäftigte damals vor allem die Frage, warum es nicht ein »ganz normales« Angebot für ganz durchschnittliche Leute gibt. Ein Zusammentreffen von Singles mit alltäglichen Hobbys und Interessen, die gemeinsam einen netten Abend verbringen. Aus dieser Idee entstand 2013 in Hannover das Konzept F2F-Dating. Mittlerweile bringt das Unternehmen in 69 deutschen Städten und im Ausland Singles zusammen.

HDie Leute bei uns haben die Schnauze voll von der ganzen Oberflächlichkeit und den Enttäuschungen beim Treffen

Rico Hetzschold

»Bei uns weiß man, was man hat. Bei uns sind die, die es ernst meinen mit der Partnersuche«, sagt Hetzschold. Seiner Erfahrung nach halten Beziehungen länger, wenn man sich vorher intensiv um den jeweiligen Partner bemüht hat. Beim Online-Dating würde das heute nicht mehr passieren: »Tinder hat doch schon überhaupt keinen Anspruch mehr«, sagt er. Auch die F2F-Teilnehmerin Fischer hat genug von der flachen Online-Welt. »Frauen werden dort und leider auch allgemein oft nur auf das Aussehen reduziert«, erzählt sie. Wer optisch nicht den Wünschen entspricht, wird weggeklickt. »Außerdem scheint Freundschaft plus in Mode zu sein und Männer haben selbst Mitte 30 noch Bindungsängste«, wundert sie sich.

»Die Hemmung, jemanden anzusprechen, ist groß. Auch die Angst, einen Korb zu bekommen, oder die Ungewissheit, ob jemand Single ist oder nicht, ist ständig da«, gesteht Fischer. Ob das den Trend zum Online-Daten erklären könnte, weiß sie nicht. Hetzschold sieht jedoch gerade darin die Spannung des Datens: »Männer wollen erobern und Frauen spielen gerne auf Zeit. Das ist der Retroweg des Datens.« Am besten könne man dies als junger Mensch auf WG-Partys ausleben, erzählt Hetzschold. Das sei einfach und sehr effektiv. Aber irgendwann, so Hetzschold, wachse man aus diesem Alter raus. Genau dort setzt F2F-Dating an.

Zu großen Erwartungen sollte man laut Fischer in den Abend jedoch nicht setzen: »Wer zwanghaft einen Partner sucht, ist hier falsch und hat keinen Spaß«, sagt sie und begründet das mit einem oft sehr hohen Frauenanteil. »Ich bin dort hin, um einen lustigen Abend zu haben und neue Leute kennenzulernen.« Einen Partner zu finden wäre für sie nur ein »positiver Nebeneffekt« gewesen.

 

Alle acht Wochen

Gießen punktet beim Veranstalter vor allem durch die hohe Studentenzahl und die vielen urigen Kneipen und Bars – die Auswahl bei den Treffen sei laut Fischer gut. »Die Stimmung ist immer sehr ausgelassen. Peinliche Stille gab es nie! Es war einfach ein total lockeres Beisammensein, ohne dass jemand auf das andere Geschlecht fixiert war, oder die Partnersuche im Vordergrund stand.« Auch die Teilnehmer sind ihrer Meinung nach sehr ausgewogen: »Vom schüchternen Jungen, der sicher noch nie eine Freundin hatte, bis zum selbstbewussten Mann ist alles dabei.« Etwas Glück muss man dabei wohl haben.

Alle acht Wochen kann dies auf die Probe gestellt werden, wenn im Schnitt 50 Singles zusammenkommen. Obwohl Fischer schon zweimal an F2F teilnahm – einmal in Gießen und einmal in Marburg – war bisher kein potenzieller Partner für sie dabei. Enttäuscht ist sie deswegen aber nicht: »Ich habe zwei sehr nette Frauen kennengelernt, mit denen sich eine tolle Freundschaft entwickelt hat. Allein das war es wert.« Das Konzept würde sie darum jedem empfehlen, gar nicht unbedingt um einen Partner zu finden, sondern auch um in einer fremden Stadt neue Leute und Locations kennenzulernen.

Info

F2F in Gießen
  • Die Treffen in den Bars finden rund um den Riegelpfad, die Ludwigstraße, den Kreuzplatz, die Walltorstraße, den Kirchenplatz, die Bahnhofstraße und die Universität statt
  • Nächste Termine: 8. 2., 12. 4., 14. 6.
  • Anmeldung und Infos unter face-to-face-dating.de/gießen
  • 15,90 Euro pro Person
  • Anmeldung im Zweierteam oder einzeln
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