02. November 2017, 16:37 Uhr

Broilers

Broilers: So und nicht anders

Goldene Schallplatten, volle Konzerthallen und eigene Plattenfirma – Broilers haben erreicht, wovon viele Bands nur träumen. Bei all der Popularität hat die Combo eines nicht verloren: ihre Attitüde. Vor dem einzigen Konzert in Hessen am 23.11. in Wetzlar spricht Sänger Sammy Amara im Streifzug-Interview über den Aufstieg, die AfD und das neue Album »sic!«.
02. November 2017, 16:37 Uhr
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Von Eva Diehl
Broilers. Foto: Robert Eikelpoth

So und nicht anders – ist vielleicht das Motto der Klassenkameraden Sammy Amara und Andi Brügge als sich mit zwölf Jahren entschließen, eine Band zu gründen. Mit Punk, Ska und Oi! im Ohr erobern die Broilers die kleinen Bühnen der Republik – und gehören schon bald zu den Helden der Szene. Große Bühnen, Hotels und Gagen – vieles hat sich 25 Jahre später geändert. Aber einiges ist gleich geblieben. Das merkt man nicht nur an einer lockeren Interview-Atmosphäre ohne Starallüren, sondern auch an ihrer straighten Haltung. Umso passender der Titel des aktuellen Albums »sic!« (Lateinisch für so und nicht anders).


Sammy, erinnerst du dich noch an euer letztes Konzert in Wetzlar?

Sammy Amara: Könnte das im Franzi gewesen sein?

Ja, genau. Im Franzis.

Sammy: Wetzlar und Gießen hab ich in sehr guter Erinnerung. Das waren damals keine großen Shows, aber da ging es immer ordentlich ab.

Das war in den 1990er Jahren. Kannst du dich da noch an mehr erinnern?

Sammy: Davon gibt es noch Fotos. Das waren auf jeden Fall besondere Abende. Zu der Zeit waren wir eigentlich noch keine große Headliner-Band. Der Veranstalter hat uns damals aber trotzdem als Haupt-Band gebucht. Einige Leute haben sich daher schon gewundert, als bei uns kleinen Fürzen so viel los war (lacht).

Hast du sonst Verbindungen nach Hessen?

Sammy: Meine Mutter kommt aus Eisenbach, aus dem Taunus. Es fließt also auch ein bisschen hessisches Blut in mir.

Hast du da auch mal gewohnt?

Sammy: Nein. Meine Mutter ist schon während der Schulzeit ins Ruhrgebiet nach Essen gezogen.

Apropos Wurzeln. Ihr habt eure Wurzeln ja in der Oi!- und Punkszene. Auch wenn einige Bands wie Rammstein ebenfalls aus solchen Jugendszenen hervorgegangen sind, ist das unter populären Bands eher eine Ausnahme. War euer Weg nach oben sehr steinig?

Sammy: Nein. Der Weg nach oben war langsam, aber stetig. Und er hat sich für uns vor allem immer natürlich angefühlt. Die Dinge, die wir gemacht, und die Platten, die wir aufgenommen haben, waren immer genau so, wie wir es haben wollten – auch als wir noch mit beiden Beinen in der Punkszene standen. Neue Sachen haben wir immer schon ausprobiert. Auch solche, die ungewöhnlich für die Szene waren, und irgendwie führte dann eins zum andern. Der Erfolg ist uns eigentlich zugestoßen, fast versehentlich. Weil wir einfach das gemacht haben, was wir wollten.

Euer Stil hat sich im Laufe eurer Bandgeschichte durchaus gewandelt. Hat sich auch euer persönlicher Musikgeschmack geändert?

Sammy: Wir sind – man darf es eigentlich gar nicht sagen – schon um die 38/39 Jahre alt. Wenn man Musik liebt, lernt man immer wieder neue Genres, neue Stile und neue Künstler kennen. All das beeinflusst einen und klar möchte man sich dann auch ausprobieren – manches davon erfolgreich und anderes eher erfolglos. Einige Dinge klangen bei uns wirklich fürchterlich und das haben wir dann lieber gelassen.

Der Erfolg ist uns eigentlich zugestoßen, fast versehentlich

Sammy Amara

Was denn zum Beispiel?

Sammy: Wow, da gibt es einige Sachen. Vor allem sind wir ganz groß darin, Coversongs auszusuchen. Da waren wirklich schlimme Sachen dabei, von Hasselhoff bis Right Said Fred. Wir haben sogar mal Dschingis Khan gecovert (lacht). Das könnte sogar zu den Zeiten gewesen sein, als wir damals im Franzis gespielt haben.

Was habt ihr aus der Zeit ohne große Bühnen, Hotels und Gagen für euch persönlich mitgenommen?

Sammy: Alles. Ganz ohne Flachs. Ohne solche Dinge wie das Reisen in Spargelstecherbussen, das Pennen auf Billardtischen oder direkt auf der Bühne, hätte es vielleicht eine reelle Gefahr gegeben, dass wir zu Spinnern werden. Aber weil wir wissen, wie es ist, von null zu starten, sind wir auch dankbar und haben viel Demut für das, was wir erreicht haben. Allein der Fakt, dass wir von der Band leben können, ist ein unfassbares Geschenk. Das ist der Wahnsinn.

 

Broilers. Foto: Robert Eikelpoth

Was erwartet Besucher eurer aktuellen Winter-Tour in Wetzlar?

Sammy: Wir werden das machen, was wir am besten können: Aus den 25 Jahren Band-Geschichte die geilsten und wichtigsten Lieder spielen. Die Show wird rund zwei Stunden dauern.Vielleicht hat man am Ende Klamotten voller Bier, ein Klingeln im Ohr und einige blaue Flecken, aber ich bin sicher, alle werden happy aus dem Abend rausgehen.

2010 hat es in Wetzlar einen Brandanschlag auf einen Kirchenmitarbeiter gegeben, der sich gegen rechts engagiert hat. Die NPD sitzt mit acht Prozent im Wetzlarer Stadtparlament und Neonazis treten teilweise offen in der Stadt auf. Stören euch Rechte auf euren Konzerten und wie reagiert ihr darauf?

Sammy: Wenn sich Nazis offen auf unseren Konzerten zu erkennen geben, dann müssen sie gehen – oder sie werden hinausbefördert. Klar ist es so: Je größer die Menschenmenge ist, die vor einem steht, umso größer ist das Risiko, dass darunter auch AfD-Wähler sind. Wenn solche Menschen nicht komplett abgeschmiert und knallharte Rassisten sind, versuchen wir ihnen klarzumachen: Was ihr gewählt habt, ist keine Alternative. Es wird nur dafür sorgen, dass wir unsere Freiheit verlieren und als Menschen entzweit werden. Wenn wir auf eine positive Art und Weise Leute dazu bringen können, solche Vorstellungen zu überdenken, dann haben wir schon etwas gewonnen.

In diesen Zeiten darf man nicht am Rand stehen und die Schnauze halten

Sammy Amara

Die aktuelle politische Situation scheint euch ja sehr zu beschäftigen. Auch auf dem aktuellen Broilers-Album »sic!« sind viele politische Songs, wie zum Beispiel gleich der Opener »Nur ein Land«.

Sammy:  Absolut. »sic!« ist sicherlich eines unserer politischsten Alben bisher. Das kommt sicher daher, dass wir das Gefühl haben: In diesen Zeiten darf man nicht am Rand stehen und die Schnauze halten. Wenn wir später mal ins Jahr 2017 zurückblicken, könnten wir uns das nicht verzeihen. Wir finden es wichtig, unseren Standpunkt klarzumachen und vielleicht den einen oder die andere zum Umdenken zu bringen.

Macht ihr das nur über Texte oder auch über Ansagen während der Shows?

Sammy: Sowohl als auch. Aber ich versuche während des Shows, nicht von oben mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln. Das bringt nichts. Wir können aber Geschichten erzählen und versuchen, damit Empathie zu wecken. So zum Beispiel im Song »Ich will hier nicht sein« von 2014. Darin sagen wir den Leuten: Versetzt euch doch mal in die Lage von den Menschen, die flüchten müssen. Wenn ihr in der Situation wärt, würdet ihr euch auch wünschen, dass euch jemand hilft und euch seine Türe öffnet.

Ich habe gelesen, dass du selbst auch schon Erfahrungen mit Rassismus
gemacht hast.


Sammy: Ja, immer wieder. Ich hab dunkle Haare und dunkle Augen. Da bleibt das leider nicht aus. Das könnte dir wahrscheinlich auch jeder ähnlich aussehende Freund erzählen. Am schlimmsten finde ich es fast, wenn es eher beiläufig und gar nicht böse gemeint ist, zum Beispiel wenn jemand sagt: »Oh, du sprichst aber gut Deutsch.« So nimmt man sich selbst ja gar nicht wahr. Man wird nur von anderen immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Als ob man einen riesigen Pickel auf der Nase hätte.

In diesem Jahr habt ihr zum erstem Mal ein Broilers-Album auf eurem eigenen Label Skull & Palms Recordings rausgebracht. Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden?

Sammy: Weil das die maximale Freiheit ist. Wir müssen mit niemandem mehr diskutieren und können alles so machen, wie wir wollen. Außerdem verbrennen wir damit im schlimmsten Fall nur unser eigenes Geld (lacht). Das war für uns definitiv der richtige Weg.

Wollt ihr auf dem Label auch andere Bands veröffentlichen oder ausschließlich Broilers?

Sammy:  Im Moment ist das nicht geplant, weil wir derzeit einfach alle Zeit, die wir haben, in die eigene Band stecken. Wenn wir irgendwann einmal Langeweile haben, dann ist das aber sicherlich vorstellbar.
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