(sno) Der Regen prasselt auf den Grünberger Marktplatz, Blitz und Donner lassen es ordentlich krachen. So gar kein argentinisches Wetter. Drinnen, in der Venezia Eis Boutique, wartet der Besitzer, Pablo Antuna. Italienisch, argentinisch, grimmisch (gebürstet). Grimmig guckt er nie drein, viel eher ist er ständig am lachen, ein Charmeur, typisch südländisch. Dass unser Maulwurf für das morgige WM-Finale (21 Uhr) so gute Laune hat, liegt natürlich auch an der Albiceleste.
»Was die Mannschaft bislang erreicht hat, war im Grunde schon mehr als genug. Was jetzt noch kommt, ist Zusatz. Wir sind schon glücklich«, sagt der 45-Jährige. Er ist da deutlich entspannter als der Trainer, Alejandro Sabella, der knorrige Taktikfuchs. Der kündigte bereits an, am Sonntag nehme man »Revanche für 1990 und 2010«.
1990, als Völler & Co. die Gauchos im WM-Endspiel von Rom 1:0 schlugen, verbrachte Pablo Antuna gerade seine ersten Monate in Deutschland. Aus den geplanten »paar Monaten« sind mittlerweile 24 Jahre geworden. Über seine Anfangszeit in Deutschland sagt der Argentinier: »Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen, aber sehr viel Bier getrunken. In jede Kneipe wurde ich eingeladen.«
Mittlerweile ist es umgekehrt, Antuna lädt alle zu sich ins Eiscafé ein. Morgen will er im argentinischen Trikot die Eiskugeln verteilen. Er weiß, dass Deutschland der Favorit ist. Aber: »Kannst du dich an das Finale von 1978, Argentinien gegen Holland (3:1 n. V.) erinnern?« Nein, natürlich nicht. »Wer hat besser gespielt?«, fragt er rhetorisch, worauf er hinaus will, ist klar: Das wisse kaum noch jemand, »du weißt nur noch, wer gewonnen hat.« Das gelte auch für morgen. In einem Spiel ist alles möglich, »1:0 in der 90. Minute reicht völlig. Das ist Fußball«.
Trotzdem imponiert ihm Deutschland, »das ist eine eingespielte Mannschaft, da stimmt alles.« Das mit der Einheit sei in Argentinien anders. »Ihr habt einen Block. Bei uns spielt einer in Barcelona, bei Real, der nächste bei ManCity oder United, andere wiederum in Paris oder bei den Boca Juniors.« So viele klangvolle Namen in der Offensive, Messi, Higuain, Aguero, Lavezzi, Di Maria – und doch kaum ansehnliche Torszenen. »Wir haben klasse Einzelspieler, aber kein Team. Jeder versucht sich in Szene zu setzen«, sagt Antuno. Die Ausnahme: Defensiv arbeiten alle zusammen. Drei Gegentore hat die Mannschaft im Turnier bislang erst kassiert. »Gegen Holland haben wir da gut funktioniert. Lavezzi ist nach hinten gelaufen, Messi auch.« Antuna erzählt das gestenreich, mit großen Augen, als ob das eine kleine Sensation wäre.
In allererster Linie versuche man »sicher zu spielen, keine Räume freizugeben. Ein einziger Fehler kann dich das Turnier kosten. Diese Einstellung haben wir verinnerlicht«. So zwang man Holland in die Knie, so soll es morgen in Rio de Janeiro ablaufen. »Wir müssen genau so agieren wie im Halbfinale. Und dann auf einen kleinen Fehler warten.«
Da funkelt es in seinen Augen, die argentinische Leidenschaft und Begeisterung kommt durch – Weltmeister in Brasilien, das wäre was. Schnell aber wird Antuno wieder versöhnlich, wiegelt ab: »Deutschland gönne ich es auch.« Da schreitet seine Freundin, Lena Schwebel, ein und schubst ihn an. »Er gönnt es uns überhaupt nicht!«, lacht sie. Schwebel hält im internationalen Eiscafe (sieben Mitarbeiter sind Brasilianer und mussten beim 1:7 leiden) die deutschen Fahnen hoch. »Der einzige Gedanke, der jetzt zählt«, sagt der 45-Jährige mit einem Lachen, »ist, dass wir am Montag noch glücklich zusammen sind.«
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Vor jedem Spiel der deutschen Elf suchten wir uns einen Maulwurf aus der Region. Der Spion aus dem Land des kommenden Gegners gewährte Einblicke in Kultur und Taktik des kommenden Kontrahenten. Pablo Antuna (45, Grünberg) hat täglich Kontakt zu seiner Familie, die in Rosario (Santa Fe) lebt. Dort besitzt auch Lionel Messi eine Bar.