23. Februar 2024, 18:19 Uhr

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine

»Wir weinen in unseren Herzen«

Der 24. Februar 2022 war der Tag, an dem ihre Welt aus den Fugen geriet: Myroslava Vakhnovan und Olena Kozynska erinnern sich an den unfassbaren Schock, der sie traf, als Russland mit dem Bombardement der Ukraine begann. Beide leben heute in Ranstadt.
23. Februar 2024, 18:19 Uhr
Myroslava Vakhnovan lebt seit März 2022 mit ihren beiden Söhnen in Ranstadt. Sie gibt ihren Landsleuten dreimal pro Woche Deutschunterricht im evangelischen Gemeindehaus und hilft bei vielfältigen Fragen und Problemen. FOTO: SCHNEIDER

Als der Krieg in der Ukraine am 24. Februar 2022 beginnt, versuchen Olena Kozynska und Myroslava Vakhnovan zunächst, eine Bleibe bei Freunden zu finden. Kozynska flieht mit ihrer Mutter und der betagten Großmutter in den Norden der Hauptstadt Kiew. Im Sommer 2022 gelangt sie in Sicherheit.

Vakhnovan, die in Irpin bei Kiew lebt, sucht mit ihrem Mann und den beiden Söhnen Schutz in der Tiefgarage einer Freundin. Die kurze Fahrt unter Bombeneinschlägen ist allen noch heute in traumatischer Erinnerung. »Mit einem einzigen Koffer in der Hand kam ich im März 2022 in Ranstadt an. Mein Mann ging an die Ostfront. Die Flucht glückte uns nur auf Nebenwegen, da die Russen die Autobahnen bombardierten«, erzählt Vakhnovan.

Dankbarkeit ist groß

Beide Frauen unterstreichen ihre große Dankbarkeit gegenüber Deutschland und den Menschen, die sie aufgenommen haben. »Wir möchten dem Land etwas zurückgeben von dem, was wir bekommen haben: Frieden, ein Dach über dem Kopf und Zeit, uns ein neues Leben aufzubauen«, betonen sie.

Für Myroslava Vakhnovan, studierte Dozentin für Medizinisches Deutsch am Universitätsklinikum Kiew, war es dank ihrer profunden Sprachkenntnisse leichter, Fuß zu fassen. Inzwischen unterrichtet sie ihre Landsleute dreimal pro Woche im evangelischen Gemeindehaus Ranstadt und steht mit einer Teilzeitstelle in den Diensten der Kommune. Sie lobt die Unterstützung von beiden Seiten, ebenso wie die Hilfe der Landfrauen, die mit ihrer »Gude Stubb« in der ehemaligen Sozialstation rasch für eine Erstausstattung gesorgt hätten.

»In den Unterrichtsstunden widmen wir uns zwei Stunden lang der Sprache«, sagt Vakhnovan. »Die übrige Zeit nutzen wir, um Alltagsprobleme zu lösen«, ergänzt sie und greift zum Handy, um für eine neu zugezogene Landsfrau einen Arzttermin zu vereinbaren. »Inzwischen hat sich mein Deutsch sehr erweitert, vor allem um die Bereiche Behörden, Handwerk, Vermietung und Kinderbetreuung«, stellt die junge Frau fest, die schon einmal bei einer Geburt in Hanau assistiert hat, um die Verständigung zu gewährleisten.

Vakhnovans Söhne gehen in die Laisbachschule und die Gesamtschule Konradsdorf, sie haben neue Freunde gefunden, sprechen perfekt Deutsch. »Zuhause reden wir Ukrainisch, um unsere Heimat nicht zu vergessen«, sagt die Sprachdozentin, die täglich mit den Verwandten zu Hause in Verbindung steht. Ihr Mann ist aktuell im Minenräumdienst an der Ostfront, die Familie hat ihn zuletzt bei einem Fronturlaub in der Weihnachtszeit gesehen.

Wie für so viele geflüchtete Menschen ist der Überfall Russlands auf ihr Land auch für Olena Kozynska noch immer unfassbar. »Wir hatten alles, ein geordnetes, ruhiges Leben, eine exzellente Ausbildung, ein Haus, Beruf und Urlaub, Freunde und Hobbys«, betonen beide Frauen. Für Olena Kozynska bietet der christliche Glauben in dieser Extremsituation einen tiefen Halt. Sie arbeitet aktiv in der evangelischen Kirchengemeinde in Ranstadt mit, singt bei den »Soul Sisters« in Stockheim, belegt online Intensivkurse in der deutschen Sprache und vertraut darauf, dass Gott der Ukraine zum Sieg verhelfen werde. »Ich versuche, mich zivilgesellschaftlich bei friedlichen Aktionen von Ukrainern zu engagieren«, sagt die 34-Jährige.

Risse mitten durch Familien

Myroslava Vakhnovan formuliert es schärfer. »Ich möchte mein altes Leben zurück. Bei aller Dankbarkeit an Deutschland und alle neuen Freunde, darunter mein liebes Vermieterehepaar. Wir waren ein Land im Aufschwung«, sagt sie. »Heute liegt meine Welt in Trümmern, sind viele Freunde getötet worden. Wir lachen äußerlich und sind für unsere Kinder stark, weinen aber in unseren Herzen.«

Ihr Ehemann betont in einem der vielen Ferngespräche, dass die Situation an der Front sich wieder verschärfe. Am unfassbarsten ist für Myroslava Vakhnovan, dass ukrainische Verwandte, die in Russland leben, ihren Angehörigen in der Heimat nicht glauben. »Sie erklären alles für Fake News, was wir ihnen übermitteln, so sehr sind sie durch die staatliche Berichterstattung beeinflusst. Die Risse gehen mitten durch unsere Familien.« VON INGE SCHNEIDER



0
Kommentare | Kommentieren

Mehr zum Thema

Bilder und Videos

  • Fassenachtszug in Giessen

  • Polizeirazzia im Frankfurter Bahnhofsviertel