Wer einen Text vorliest, liest ihn laut. Das und nicht mehr ist die Definition laut Duden. Dass zum guten Vorlesen aber noch einiges mehr gehört, wissen auch die 14 Sechstklässlerinnen und Sechstklässler, die am Freitagvormittag in die Stadtbücherei Bad Nauheim gekommen sind. Als auserkorene Sieger von 13 verschiedenen Schulen in Wölfersheim, Butzbach, Bad Nauheim, Echzell, Nidda und Gedern sind sie zum Vorlesewettbewerb für den nördlichen Wetteraukreis angetreten. Drei Jungen und elf Mädchen kamen nach Bad Nauheim, ein Schulsieger fehlte.
Es ist der 65. Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels, an dem jährlich rund 600 000 Schüler teilnehmen. Aufgrund der hohen Schülerzahl in der Wetterau ist der Kreis zweigeteilt. Für den Süden wurde vergangene Woche Emma Marie Schaffstein aus Assenheim als Siegerin gekürt. Als beste Vorleserin des Nordens konnte sich am Freitagvormittag Gesa Schwartau aus Bad Nauheim durchsetzen.
Versprecher nicht gewertet
»Eine Sache möchte ich vorab klarstellen: Ihr alle seid bereits Sieger eurer Schulen. Darauf könnt ihr stolz sein«, begrüßte Gaëlle Götz die Jugendlichen und ihre Eltern. Als Leiterin der Stadtbücherei Bad Nauheim moderierte sie den Vorlesewettbewerb.
Die Jury bestand aus Sabine Coldehoff (Bibliotheksmitarbeiterin), Bärbel Thomas (Lese- und Literaturpädagogin), Ursula Krebber (Lesepatin, Freiwilligenzentrum Bad Nauheim), Luis Engelmann (Leseclub-Mitglied) sowie der Autorin dieses Berichts. Sie mussten die schwierige Entscheidung treffen, wer denn nun gewinnt und in die nächste Runde, den Bezirksentscheid, einzieht.
In der ersten Runde lasen die Schülerinnen und Schüler eine selbst ausgewählte Textpassage vor. Nach Kostproben aus Büchern von J.K. Rowling (»Die Märchen von Beedle dem Barden«), Jules Verne (»20 000 Meilen unter dem Meer«) oder Maja von Vogel (»Die drei Ausrufezeichen«) juckte es einen in den Fingern, zu erfahren, wie die ein oder andere Geschichte weitergeht.
Siegerin liest aus »Alhambra«
Siegerin Gesa Schwartau hatte sich für »Alhambra« entschieden, in dem sich ein Schüler plötzlich in Granada im Jahr 1492 wiederfindet. Dort gerät er in eine lebensgefährliche Situation, und seine Rückkehr in die Gegenwart hängt davon ab, ob er den Schlüssel zurück findet und ob Amerika entdeckt wird. »Ich habe dieses Buch ausgewählt wegen der Autorin Kirsten Boie. Hätte sie es nicht geschrieben, wäre es nicht dieses Buch geworden«, sagte die Zwölfjährige.
Bei der Bewertung achtete die Jury besonders auf die Lesetechnik, die Interpretation der Passage und die Textstellenauswahl. War die Aussprache deutlich, das Lesetempo angemessen? Wurde der Text atmosphärisch gut erfasst? War die ausgesuchte Textpassage schlüssig? Versprecher wurden nicht gewertet, betonte Götz. Obwohl viele der Kinder im Vorhinein nervös auf ihren Stühlen hin- und hergerutscht waren, ließen sie sich bei ihrem Vortrag nicht aus der Ruhe bringen. Sie lasen souverän aus ihren mitgebrachten Büchern vor - der eine vielleicht in Nuancen besser als der andere, aber alle Lesungen konnten sich hören lassen.
Wirklich spannend wurde es dann im zweiten Durchgang, in dem die Schülerinnen und Schüler fremdes Terrain betreten mussten. Es galt, unvorbereitet zwei Seiten aus dem Roman »Klettern« von Keith Gray vorzulesen. In der Geschichte geht es um Jugendliche, die darum wetteifern, die höchsten Bäume zu besteigen.
Spontanität gefragt
Dabei zeigte sich dann, wer auch spontan während des Lesens die Satzmelodie erkennt, Betonungen richtig setzt, flüssig und souverän vorliest und mehr. Am Ende war das Ergebnis äußerst knapp, was für die Leistungen aller Schülerinnen und Schüler spricht. Letztlich überzeugte die zwölfjährige Gesa Schwartau aus Bad Nauheim mit einer ruhigen und guten Aussprache, einer passenden Betonung und wechselnder Stimmlage bei Zitaten. Sie sorgte dafür, dass die Zuhörer in den Text eintauchen konnten.
»Die Entscheidung fiel uns sehr schwer«, sagte Sabine Coldehoff. Für jeden der 14 Teilnehmer gab es eine Urkunde sowie das Buch »Das Geheimnis von Darkmoor Hall« von Nina Scheweling. Für Gesa Schwartau geht es nun weiter beim Bezirksentscheid.
INFO: Die Teilnehmer
Insgesamt haben 14 Sechstklässlerinnen und Sechstklässler an dem Vorlesewettbewerb des Wetteraukreises Nord teilgenommen. Sie sind die jeweiligen Sieger aus ihren Schulen. Teilgenommen haben Jannis Hofmann (Stadtschule Butzbach), Cansu Sancar (IGS Schrenzerschule, Butzbach), Linnea Hempe (Weidigschule, Butzbach), Paul Engel (Singbergschule Förderstufe, Wölfersheim), Marlene Gonther (Singbergschule Gymnasialzweig, Wölfersheim), Lotte Allegra Leinung (Internatsschule Institut Lucius, Echzell), Najla Ahmic (Solgrabenschule, Bad Nauheim), Laria Steinhorst (Ernst-Ludwig-Schule, Bad Nauheim), Gesa Schwartau (Freie Waldorfschule Wetterau, Bad Nauheim), Julia Jedlickova (St.-Lioba-Schule, Bad Nauheim), Merle Reul (Frauenwald-Schule Förderstufe, Bad Nauheim), Amy-Sophie Müller (Mittelstufenschule Nidda), Clara Funke (Gymnasium Nidda) und Hannes Winter (Gesamtschule Gedern).