02. Mai 2025, 20:56 Uhr

Neue Serie Städte & Gemeinden

Wo unsere Leser zu Hause sind

Alle 18 Kreisgemeinden werden wir ab heute im Wochenrhythmus immer samstags im Kreisteil vorstellen. Gießen als die größte Stadt kommt ganz zum Schluss.
02. Mai 2025, 20:56 Uhr
BB

Nein, unsere Leser sind nicht alle in Grünberg zu Hause. Das könnte man aber denken, wenn man die Schlagzeile mit dem Foto verknüpft. Ist aber nicht so: Wir haben Abonnenten in allen 18 Städten und Gemeinden im Landkreis Gießen. Hinzu kommen einige Leser aus dem östlichen Lahn-Dill-Kreis und dem südlichen Kreis Marburg-Biedenkopf. Alle 18 Kreisgemeinden werden wir ab heute im Wochenrhythmus immer samstags im Kreisteil vorstellen. Gießen als die größte Stadt kommt ganz zum Schluss.

Grünberg ist nicht nur Grünberg

Die Texte werden von den die jeweiligen Gemeinden betreuenden Redakteuren geschrieben. Gleichwohl möchten wir uns Co-Autoren einladen und sie bitten, eine ganz persönliche Geschichte über ihre Stadt/Gemeinde zu schreiben. Heute starten wir - mit Grünberg. Wir haben dort gleich zwei Gastautoren gewonnen: Pfarrer i. R. Hartmut Miethe und Joachim Breckow, der viele Jahre an der THM in Gießen als Professor gelehrt hat. Beide haben sich auf die Kernstadt konzentriert, auch deshalb, weil beide direkt in Grünberg wohnen.

Das bedeutet, dass ich mich um die 13 anderen Stadtteile kümmere, denn Grünberg ist nicht nur Grünberg. Grünberg, das ist auch Beltershain, Göbelnrod und Harbach, Klein-Eichen, Lardenbach und Lehnheim, Lumda, Queckborn und Reinhardshain, Stangenrod, Stockhausen und Weickartshain und schließlich noch Weitershain. Das macht auch deshalb Sinn, weil ich fast mein ganzes Leben lang in Stockhausen gewohnt habe. Wie die meisten anderen Stadtteile, wurde auch Stockhausen zum 31. Dezember 1970 eingemeindet. Dennoch fühlen wir uns immer noch als Stockhäuser. Aber das ist auch nicht schlimm, weil die Kernstädter sich auch weiter als Grünberger fühlen.

Die Menschen in den Kommunen rund um die Stadt lebten jahrhundertelang vor allem von der Landwirtschaft. Viele waren auch handwerklich tätig. Heute spielt Landwirtschaft keine große Rolle mehr. Aus den Bauern- sind Schlafdörfer geworden. Morgens verlässt ein Großteil der Bewohner ihren Ort. Sie fahren zu ihren Arbeitsplätzen - vor allem in Grünberg, Mücke, Laubach, aber viele auch bis nach Gießen. Die größeren Kinder und Jugendlichen werden in die weiterführenden Schulen nach Grünberg gefahren.

Früher, so bis in die 1970er Jahre, verließen die meisten Bewohner ihr Dorf nur selten. Lebensmittel konnten sie im Ort einkaufen. In ihrer Freizeit sangen viele im Chor, andere waren sportlich aktiv, oder engagierten sich bei der Feuerwehr. Der Zusammenhalt im Dorf und der Sinn für Gemeinschaft hatten damals einen höheren Stellenwert als heute.

Grünberg ist unbestritten das Zentrum. Aber die Stadtteile sind mehr als kleine Tupfer auf der Landkarte. Alle 13 Dörfer haben ihren Charme. Sie sind eingebettet zwischen Hügeln und Bächen. Von den Erhebungen des westlichen Vogelsberges hat man einen fantastischen Fernblick. Und auch die allerschönsten Sonnenuntergänge kann man von dort aus sehen. Nicht nur in »Grimmich«, auch in den Stadtteilen gibt es liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser. Im Seenbachtal kann man die Weickartshainer Schweiz besuchen, ein schöner und zugleich geschützter Ort für größere Feiern im Freien. Wer möchte, kann alte Kirchen bestaunen. Es gibt gut ausgebaute Rad- und Wanderwege. Vom Tal der Wieseck aus kommt man schnell nach oben auf den Wirberg. Dort befand sich in alten Zeiten eine Klosteranlage.

Wir haben es gut hier im Osten

Mein ganz persönlicher Berg ist nur einen Steinwurf von Weickartshain entfernt. Der Blick Richtung Südwesten ist gigantisch. Weit in der Ferne türmen sich die Berge des Taunus’ auf. Davor breitet sich die flache Wetterau aus. Was man mehr ahnen als sehen kann, ist die Münzenburg. Auch der Blick nach Osten lohnt sich meistens. In (Luftlinie) ca 20 Kilometer Entfernung thront der Funkturm auf dem Hohe-rodskopf. Früher hieß es: Wenn man den Hoherodskopf ganz klar sehen kann und er sehr nah wirkt, dann gibt es Regen: Heut weiß man: Das kann, muss aber nicht sein. Das Pedant zum Hoherodskopf kann man übrigens von dort oben aus in 50 Kilometer Entfernung in Blickrichtung Westen sehen: einen ähnlichen Turm auf dem Dünsberg. Dort lebten einst Kelten. Aber darüber wird der für Biebertal zuständige Kollege sicher mehr wissen.

Vor einiger Zeit wurde im Anzeiger darüber geschrieben, dass in einigen Grünberger Stadtteilen Häuser leer stünden und dem Verfall preisgegeben seien. Das kommt vereinzelt vor, aber dem Untergang geweiht ist der Osten des Kreises nicht. Selbst in meinem kleinen Dorf stehen Häuser nicht lange leer.

Wir haben es gut, hier im Osten. Wir müssen nicht weit laufen, um die Natur zu erleben. Gerade jetzt im Mai geht auf Feldern und Wiesen und in Wäldern die Post ab. Gut, die Pollen fliegen aktuell tief, aber das geht auch wieder vorbei. Alles grün hier, alles schön, alles weite Landschaft, keine Häuserschluchten, die den Blick auf das wahre Leben versperren.

Fazit: Die Stadt Grünberg und ihre Stadtteile sind rund 50 Jahre gemeinsam unterwegs, aber wir sind nicht eins geworden, was auch richtig ist, denn sonst hätten wir unsere Dorfnamen und unsere Identität verloren. Und das wollen wir nicht.



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