04. Mai 2025, 22:08 Uhr

Unwetter im Landkreis

Von Riesenast in Lich begraben

Es ging rund, nur kurz. aber es war heftig am Samstag, das Unwetter im Landkreis Gießen. Mitten in Lich stürzte ein Baum auf ein Auto. Ein 17-Jähriger wurde eingeklemmt und schwer verletzt.
04. Mai 2025, 22:08 Uhr
EWW
Diese Monster Astgabel donnert auf einen BMW mitten in Lich am Hessentagsbrunnen: Der Beifahrer des im Moment des Falls vorbeifahrenden Wagens wird beim Auftreffen schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Foto: Römer/Licher Feuerwehr

. Ein schwarzer BMW fährt am Samstagabend kurz vor 18 Uhr einfach an der falschen Stelle entlang. Der Wind hatte in der Sekunde eine Riesenastgabel erfasst, die vonseiten des fürstlichen Grundstücks in der Heinrich-Neeb-Straße in Lich hinter der Mauer vom Baum abbricht und auf das genau in diesem Moment vorbeifahrende Auto donnert.

Lichs Stadtbrandinspektor Markus Römer sagt später: »Der hat den Wagen in den Asphalt gerammt. Da waren Spuren in der Fahrbahn zu sehen und die Ölwanne gerissen.« Der 17-jährige Beifahrer wird eingeklemmt, der 18-jährige Fahrer steigt selbst unverletzt aus. Die Seitentür muss auf der Beifahrerseite von der Feuerwehr, die 18.01 Uhr vor Ort ist, mit Hydraulikgerät geöffnet werden.

17-Jähriger eingeklemmt

Der 17-Jährige hat zuvor noch aus dem Seitenfenster gewunken und war ansprechbar, sagt Römer. Er wird aber letztlich schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Das erklärt der Lagedienst im Polizeipräsidium Mittelhessen am Sonntagnachmittag. Und Stadtbrandinspektor Römer schätzt nachträglich ein: »Hätte da jemand im Fond gesessen, wäre das ganz anders ausgegangen.« Ein Riesenglück für beide.

Der Baum hat weitere Schäden hinterlassen, war zuvor auf das Dach des ehemaligen Wirtshauses Schluckspecht aufgeschlagen und beschädigte dabei auch eine Dachgaube am Nebenhaus bevor er auf dem Auto aufschlug. Bis Montag ist die Straße gesperrt, erklärt die Polizei auf Nachfrage. Und Stadtbrandinspektor Römer ergänzt zum Hintergrund, dass die Standfestigkeit des Baumes noch zu prüfen ist. Die abgefallene Monster-Astgabel hat an der Mauer zum fürstlichen Grundstück dagegen keinen Schaden hinterlassen.

Bei 70 Einsätzen ist die Polizei am Samstag im Landkreis vor Ort, heißt es am Sonntag vom Lagedienst. Kreisbrandinspektor Mario Binsch spricht sogar von 139 Einsätze für die Feuerwehren. Astwerk und Bäume sind zu entsorgen, doch um 21 Uhr herrscht wieder Ruhe. Das selbe vermeldet der Einsatzleiter im Stadtgebiet, Sven Henrich, der allerdings erst für 22 Uhr am Samstagabend den normalen Regelbetrieb wieder vermerkt.

Ursula König aus Großen-Buseck telefoniert am Sonntagmittag noch sichtlich betroffen vom Unwetter-Geschehen »Am Anger« mit Bekannten. Vor dem Haus hat die Feuerwehr schon den Baum in Teilen zerlegt, der das Fachwerkgebäude ihres Hauses am Vortag streifte.

Plötzlich rumst es

König war am Samstagabend mit den Enkeln heimgekommen, alle hatten gerade die Schuhe ausgezogen, als es auf dem Weg ins Wohnzimmer rumste. Im Wohnzimmer angekommen bedeckten Äste und Blätter der Baumspitze das Fenster. Die Wurzeln des Baumes waren vom Druck des Windes auf die Äste herausgehoben worden. Am Fachwerkhaus sind an weißen Gefachen grüne Schleifspuren zu sehen. Glück im Unglück für die Familie König: Nur einen Teil der Dachkante rasierte der Baum.

In die Tagesthemen schafft es jedenfalls der gesamte Landkreis am Samstagabend. Meteorologe Carsten Schwanke vom Wetterkompetenzzentrum Frankfurt zeigt den Spitzenwert von 101 Kilometern pro Stunde in Wettenberg auf der Wetterkarte an. Hier wird die höchste Geschwindigkeit beim Durchgang der Kaltfront in ganz Deutschland gemessen. Und so kommt die Universitätsstadt auf Platz eins. Dunkel wird es in der Stadt schon gegen 17.45 Uhr, als der mächtige Gewittersturm aus Südwest heranbraust. Die Sicht sinkt und Wassermassen treibt der Sturm vor sich her. Er reißt die Blüten von den Bäumen, die später wie gerupft wirken. Mit einer dicken Schicht werden die Fahrbahnen bedeckt und ein schmieriger Film bildet sich.

Kleinere Äste fallen auf Straßen und große Pfützen bedecken die Fahrbahnen wegen der großen Regenmenge innerhalb kurzer Zeit. Vor der St. Albertus-Kirche landet durch das Unwetter ein starker Ast vor der Treppe kurz vor dem Requiem für Papst Franziskus. Zu Schaden kommt hier niemand.

Auch bei der Agentur für Arbeit gegenüber kracht ein Stück vom Baum auf den Rasen. An der Kreuzung in Kleinlinden wird die Ampelanlage aus Richtung Lützellinden zur Seite gedrückt, sodass die Kameras nicht die Autos erfassen können und die Ampel nur Rot zeigt. Erdblitze sind kaum zu sehen, das schwere Gewitter mit Donnergrollen und lautem Getöse vom Sturm alarmiert die Feuerwehren.

Einsatzleiter Sven Henrich erklärt am Sonntag: »Das ist in der Stadt glimpflich ausgegangen.« Dennoch müssen etliches Astwerk und auch Bäume weggeräumt werden.

Henrich nennt beispielhaft Einsätze auf Höhe des Erstaufnahmelagers, wo ein dicker Baum quer lag. Auch in der Licher Straße Richtung Fernwald war es zu Bruch gekommen, ganz allgemein zog sich das Unwetter »quer über den Osten und Süden der Stadt«. Daher waren Schiffenberger Tal und Steinberger Weg weitere Einsatzziele: »Wir haben eines nach dem anderen weg gearbeitet.«

Natürlich hilft am Samstag auch die Berufsfeuerwehr neben den freiwilligen Kräften. In der August-Messer-Straße/ Eichgärtenallee muss eine Dachstelle gesichert werden, auf der fünf Quadratmeter Dachziegel weggeweht worden sind. Auch in der Marburger Straße hinaus zur Aral-Tankstelle gilt es, Astwerk zu beseitigen.

»Wir hatten am Samstag 139 Einsatzstellen der Feuerwehren in 17 Kommunen, nur in Rabenau war kein Einsatz«, teilt Kreisbrandinspektor Mario Binsch am Sonntag auf Anfrage mit. Meistens mussten umgestürzte Bäume weggeräumt werden, informiert er.

Abgedeckte Dächer im Landkreis

In Langgöns, Wettenberg und Allendorf habe es abgedeckte Dächer gegeben. Um die zahlreichen Notrufe abarbeiten zu können, sei in der Unwetter-Zeit die Zentrale Leitstelle des Landkreises personell verstärkt worden. »Die sonst üblichen vier Arbeitsplätze wurden auf 14 erhöht.« Zwei zusätzliche Lagedienstleiter hätten die Notrufannahme und Einsatzzuweisung an die Kommunen innerhalb der Leitstelle koordiniert. Neben den zahlreichen Feuerwehreinsätzen seien im gesamten Kreisgebiet auch viele Rettungsdiensteinsätze zu bearbeiten gewesen, nicht primär, sondern wohl indirekt wegen Kreislaufbeschwerden infolge des Wetterumschwungs.



0
Kommentare | Kommentieren

Bilder und Videos

  • Fassenachtszug in Giessen

  • Polizeirazzia im Frankfurter Bahnhofsviertel