Egal ob für einen Rollator, einen Kinderwagen oder einen Rollstuhl - eine Bordsteinkante ist ein echtes Hindernis. Vor allen Dingen, wenn es sich wie bei der Hauptstraße in Treis um eine vielbefahrene Ortsdurchfahrt handelt. Da ist die Angst groß, es nicht rechtzeitig über die Kante zurück auf den Gehweg zu schaffen. Oder gar dabei umzukippen. Matthias Schick, Behindertenbeauftragter der Stadt, brachte es beim Ortstermin am Montag auf den Punkt: »Was kostet der Schutz eines Menschenlebens?« Zumal von den Querungshilfen bereits in Zukunft noch mehr Menschen profitieren werden: »Es gibt immer mehr Ältere, immer mehr Behinderte«, sagte Schick.
Darum sind die knapp 93 000 Euro, welche die Stadt Staufenberg in den Bau der Querungshilfen an der Hauptstraße sowie rund um den Dorftreff »Bing« in der Weiherstraße, der Großen-Busecker Straße und der südlichen Bahnhofstraße investiert hat, gut angelegtes Geld. Zumal aus dem Programm »Starke Heimat Hessen« 59 500 Euro Fördergelder flossen, die Stadt nur rund 33 000 Euro investieren musste, wie Bürgermeister Peter Gefeller berichtete. Auch habe man den Gehweg am ehemaligen Bouleplatz zwischen Weiher- und Großen-Busecker Straße sicherer gemacht, da er nun geschützt hinter einem Beet verläuft.
Gleichzeitig macht es deutlich, wie kostspielig und planungsintensiv die Absenkung von acht Bordsteinen und Ausstattung mit taktilen Leitelementen für Blinde und Sehbehinderte ist. Michael Volter, Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen des Landkreises Gießen, sieht darum allein beim Planungs- und Förderverfahren noch einige Luft nach oben. Dies beginne s damit, dass eine Kommune bereits beim Einreichen des Förderantrags eine »Detailplanung mit der Lage jeder Platte« vorlegen müsse, die schon einem fertigen Bauplan entspricht.
Zwar gibt es eine DIN-Norm zum Bau von Querungshilfen, die mittlerweile auch von der Straßenbaubehörde Hessen Mobil als Norm angewandt werde. Im Konzept »Mobiles Hessen 2030« finden sich sogar Musterpläne für verschiedene Typen von Querungshilfen. Allerdings gehen diese von Gehwegbreiten von 2,5 Metern aus, an Engstellen von 1,5 Metern. »Wo haben wir im Bestand 2,5 Meter breite Gehwege?«, fragt Volter. »Da muss man überall Individuallösungen finden.«
Obwohl die Abweichung von der Norm in Bestandsstraßen in engen Ortskernen wie Treis, aber eigentlich in ganz Mittelhessen der Standard ist, muss bei Anträgen dafür argumentiert werden, damit die Förderstelle die Ausnahme genehmigt. Daraus entstehe ein höherer Bearbeitungs- und Planungsaufwand. In Treis gab es beispielsweise einen Vorort-Termin mit Hessen Mobil an der Hauptstraße mit zehn Teilnehmern.
»Und zum Zeitpunkt der Antragstellung weiß die Kommune nicht, ob sie überhaupt Fördergelder bekommt«, sagt Volter. Falls nicht, muss sie Planungs- als auch Baukosten komplett allein schultern. Dies führe dazu, dass viele Kommunen nur im Zuge geplanter Baumaßnahmen, wie beispielsweise Straßenerneuerungen, Querungshilfen mitbauen. »Das wie hier in Staufenberg nur Querungshilfen gebaut werden, ist fast einzigartig«, sagte der Beauftragte.
Kreisbeigeordneter Frank Ide sieht darum noch einen langen Weg bis zu einer flächendeckenden Lösung, »wir werden noch einige Jahrzehnte am Bestand arbeiten müssen. Da sind schätzungsweise 95 Prozent nicht barrierefrei.« Das beginnt bei den Straßen und reicht bis zu öffentlichen Gebäuden, bei deren Bau die Barrierefreiheit nicht beachtet wurde. Heute würden Ingenieure und Architekten bei Neubauten und Straßenerneuerungen automatisch daran denken. Er warb dafür, dass die Kommunen Fördergelder anfordern und in die Barrierefreiheit investieren.
Da aufgrund der Kosten ein gleichzeitiger Ausbau aller Kreuzungen zeitnah nicht möglich ist, braucht es Zwischenlösungen. In Staufenberg beispielsweise feilt man daran, einen barrierefreien Weg von der Vorstadt bis in die Vitale Mitte anzulegen, kündigte Gefeller an. Dafür sind Arbeiten am Rosenweg, der Mainzlarer Straße und Kleinfeldchen geplant. Volter lobte, dass sich die Stadt Gedanken über die benötigten Wegebeziehungen macht.
Ärgerlich wird es allerdings, wenn eine Querungshilfe eingerichtet wurde, dann aber vor dem abgesenkten Bordstein ein Auto parkt. Dann muss mit dem Rollator, dem Kinderwagen ein anderer Weg gesucht werden. Das Bußgeld (siehe Kasten) dürfte nur wenigen wehtun. Der Gedanke, dass auch die eigene Oma, der eigene Opa durch solch rücksichtsloses Parken vor ein Hindernis gestellt wird, dann vielleicht schon eher.