23. Februar 2024, 21:15 Uhr

Schwimmbad

Die Hallenbad-Retter aus Lich: Raus aus dem Krisenmodus

Investitionsstau, hohe Betriebskosten, zu wenig Personal und manchmal noch Ärger mit den Badegästen: Viele Schwimmbäder bereiten ihren Betreibern Kopfzerbrechen. In Lich ist man dank des Vereinsbads raus aus dem Krisenmodus. Wie funktioniert das Modell bei steigenden Betriebskosten?
23. Februar 2024, 21:15 Uhr
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Von Ursula Sommerlad
Die Atmosphäre im Licher Hallenbad ist familiär. FOTO: US

Das Hallenbad in der Sportschule Grünberg: seit 2019 endgültig dicht. Die Pläne für den Hallenbad-Neubau in Hüttenberg: langfristig auf Eis gelegt. Das Hallenbad Heuchelheim: seit Jahren zum Fitness-Studio umfunktioniert. Das Familienbad in Biebertal: wegen Sanierung längerfristig geschlossen. Wer schwimmen will, muss heutzutage schauen, wo er bleibt. Aber nicht in Lich. Dort ziehen an einem späten Mittwochnachmittag ein paar Schwimmer ihre Bahnen, vorne, wo das Wasser flacher ist, haben Kinder, Eltern und Großeltern Spaß. Morgens um 6.30 Uhr waren schon die Frühschwimmer da, später kommen noch all die Leute, die länger arbeiten müssen. Das Bad schließt erst um 22 Uhr.

»Wir haben Öffnungszeiten wie die Großen«, sagt Haimo Brackemann und klingt ein bisschen stolz. Der Ingenieur ist Mitglied im Licher Hallenbadverein und steht dem Vorstand mit technischem Sachverstand zur Seite. »Das Bad ist ein bisschen mein Baby«, sagt er. Gleiches könnten auch Vorsitzender Detlev Clemens und Schatzmeisterin Isolde Zimmer von sich behaupten. Sie waren dabei, als sich der Hallenbadverein vor 20 Jahren gründete und dafür sorgte, dass Lich auf der Liste der geschlossenen Bäder fehlt.

Vor zwei Jahrzehnten gab es auch hier eine Hallenbad-Krise. Der Stadt wuchsen die Kosten über den Kopf, der Versuch mit einem privaten Betreiber war krachend gescheitert, der Magistrat drohte mit der endgültigen Schließung des Bades. Die Rettung kam in Gestalt des im März 2004 gegründeten Trägervereins, der sich das Busecker Modell zum Vorbild nahm: Wer mehr als einmal im Licher Hallenbad schwimmen möchte, muss Mitglied sein.

Das funktioniert bis heute. Für die Mitglieder, für den Vorstand und für die Kommune, der das Bad nach wie vor gehört und die weiß, was sie dem Hallenbadverein zu verdanken hat. Erst kürzlich hat die Stadtverordnetenversammlung ohne Murren und vorzeitig den jährlichen Investitionskostenzuschuss von jährlich 25 000 auf 50 000 Euro erhöht. »Die Arbeit des Vereins ist Gold wert«, hat Bürgermeister Neubert bei dieser Gelegenheit gesagt. Der Vorstand will nicht widersprechen. »Die Stadt bekommt mit überschaubaren Mitteln ein tolles Bad«, sagt Schatzmeisterin Zimmer.

Eigenes Geld kann der Verein allerdings aktuell nicht für Investitionen erübrigen. »Unsere Beiträge waren auskömmlich kalkuliert und die Mitgliederzahlen gingen immer nach oben«, beschreibt Zimmer die Situation früherer Jahre. Doch jetzt rechne man angesichts steigender Energiepreise mit höheren laufenden Kosten. Deshalb hat der Verein an der Beitragsstruktur geschraubt und drei Tarifstufen eingeführt. Die Schatzmeisterin ist gespannt: »Mal schauen, was es bringt.«

In früheren Jahren war die Einnahmesituation so, dass der Verein zusätzlich zum städtischen Zuschuss und zu Fördermitteln auch eigenes Geld in Investitionen stecken konnte. So wurden das Dach saniert, die Umkleiden umgebaut, die Lüftung und die Regelungstechnik fürs Wasser erneuert. »Wir haben das Bad energetisch so verbessert, dass wir Corona und die Energiekrise nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs relativ gut verkraften konnten««, sagt der Vorsitzende.

Ingenieur Brackemann, zu dessen Arbeitsschwerpunkten die Schwimmbadtechnik gehört, rechnet vor, dass unter Regie des Hallenbadvereins Wärme- und Stromverbrauch um jeweils 50 Prozent gesenkt werden konnten - »trotz erweiterter Öffnungszeiten und steigender Besucherzahlen«, wie er betont. Was die Licher besonders freut: Die Einsparung ließ sich ohne merkliche Absenkung der Wassertemperatur realisieren. Die liegt bei angenehmen 29 Grad. Alles andere wäre kontraproduktiv, meint Brackemann. »Wenn’s im Becken zu kalt ist, duschen die Leute länger.«

Die nächste große Investition ist bereits in Planung. Der Beckenumgang samt Unterbau soll erneuert werden. »Die Fliesen sind so alt wie das Bad«, sagt Brackemann. Also von 1975. Wann die Arbeiten erledigt werden können, ist noch nicht klar. Die Verantwortlichen warten, wie sie sagen, »auf ein schönes Förderprogramm«. Damit haben sie Erfahrung. Bereits für frühere Investitionen konnte der Hallenbadverein Gelder aus »HAI« und »SWIM« akquirieren.

Alles in allem viel Arbeit für den Vorstand. »Das ist schon eher ein Nebenjob«, sagt die Schatzmeisterin über das ehrenamtliche Engagement. Aber im Gegenzug bekomme man viel Wertschätzung gespiegelt. »Ich würde es wieder machen«, sagt auch Detlef Clemens. Vor 20 Jahren, als Vater kleiner Kinder, hat er keinen Elternabend ausgelassen, um die Werbetrommel für den Hallenbadverein zu rühren. Heute würde er sich wünschen, dass junge Familien stärker im Vorstand vertreten wären.

Ein Problem, das vielen anderen Badbetreibern unter den Nägeln brennt, haben die Licher zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. »Wir sind personell sehr gut aufgestellt« sagt Isolde Zimmer. Zwei Fachkräfte, bei der Stadt in Vollzeit angestellt, halten den Badebetrieb sehr eigenverantwortlich am Laufen, betreuen die Aushilfen und diskutieren zudem in der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Bades mit. Die Vorstandsmitglieder sind überzeugt, dass sich auch hier das Vereinsbad-Modell mit seiner familiären Atmosphäre bewährt. Dass Badegäste Ärger machen, hört man aus anderen Orten immer wieder. »Bei uns«, sagt Haimo Brackemann, »bringen sie den Mitarbeitern Kuchen mit.«



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